An rhetorisch ausgefeilten Statements mangelt es Naledi Pandor nicht. Derzeit ist Südafrikas Außenministerin in den USA, wo sie versucht, Mitglieder des Kongresses von einem Gesetzvorschlag abzubringen, der Südafrikas Handel mit der Weltmacht deutlich erschweren würde. "Es gibt einen Versuch, Strafmaßnahmen gegen Südafrika zu ergreifen – diese Art von Achse des Bösen, die ein wesentlicher Bestandteil der politischen Kultur ist", referierte Pandor.

Naledi Pandor.
Naledi Pandor weiß um ihre kontroverse Meinung. Sie hält damit nicht hinter dem Berg.
AFP/PHILL MAGAKOE

Seit nunmehr über zwei Jahren profiliert sich Pandor (70) mit einer explizit antiwestlichen Außenpolitik. War es im Jahr 2022 die nachsichtige Haltung Südafrikas gegenüber Russland nach der Invasion in der Ukraine, die das bilaterale Verhältnis mit den USA belasteten, handelte es sich in den vergangenen Monaten vorrangig um Südafrikas Unterstützung für die Palästinenser im Gazakrieg, die weit über die Klage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof hinausging.

Zuletzt rief Pandor offen zu Demonstrationen vor den Botschaften der "fünf Nationen" auf, die Israel im Krieg gegen die Hamas unterstützen. Konkret benannte sie die Länder nicht, aber es war klar, dass sie die USA, England, Deutschland, Frankreich und Kanada meinte. Von den betroffenen Diplomaten gab es den einen oder anderen aufgeregten Anruf beim südafrikanischen Außenministerium, schließlich verträgt sich ein derartiger Appell nur bedingt mit der völkerrechtlichen Verpflichtung, die Diplomaten auf dem Staatsgebiet zu schützen.

Wendige Karrieristin

Pandor hat freilich Erfahrung im Ausreizen ihres Blattes. Nach zwei Jahrzehnten in Ministerämtern gehört sie zu den erfahrensten Politikerinnen im regierenden African National Congress (ANC). Sie navigierte ihre Karriere durch die grundverschiedenen Administrationen des Technokraten Thabo Mbeki, des Staatsplünderers Jacob Zuma und nun des Zauderers Cyril Ramaphosa, der sie sogar einst als Vizepräsidentin erwogen hatte.

Eine derartige Karriere schult bei der kreativen Deutung der Realität: So stellte es Pandor in Washington bei einem Termin bei der Denkfabrik Carnegie tatsächlich infrage, ob es sich beim Iran um ein autoritäres Regime handle. "Das weiß ich nicht", behauptete sie. Neben dem Iran waren beim Brics-Gipfel in Johannesburg im vergangenen August auch Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten in den Staatenbund aufgenommen worden. Gastgeber Südafrika feierte die Erweiterung als großen Erfolg, wenngleich das Gewicht von Demokratien bei dieser von China dirigierten Initiative zur geopolitischen Neuordnung der Welt damit deutlich sinkt.

Bei vorangegangenen USA-Besuchen hatte Pandor betont, dass Südafrikas Verhältnis zu den Demokraten weit besser sei als das zu den Republikanern. Mit derartigen Kommentaren hält sie sich in diesen Tagen zurück, schließlich hat die Gesetzesinitiative im Senat auch die Unterstützung einiger Demokraten. Auf dem Spiel steht unter anderem der Ausschluss aus dem Agoa-Abkommen, das Südafrika weitgehend zollfreie Exporte in die USA ermöglicht.

Wichtige Drehscheibe

Pandor hat die Gabe, derartige Szenarien sanft lächelnd herunterzuspielen. Derartige Gesetze wären "äußerst unweise", gab sie zu Protokoll. Ohne die Nutzung "der Kapazitäten Südafrika" könne sie sich schließlich nicht vorstellen, wie Initiativen der USA zum Ausbau von Handel und Infrastruktur auf dem Kontinent funktionieren können. Wohl nicht zufällig betonte sie, dass die USA hinter China und Europa der drittgrößte Handelspartner Südafrikas seien.

Das Wort "nur" erwähnte sie nicht. Aber es schwang deutlich mit, was unklug ist, schließlich ist der Anteil von Exporten der verarbeitenden Industrie ungleich größer. Entsprechend viele Jobs hängen an der Entscheidung – in einem Land, in dem jeder zweite junge Erwachsene arbeitslos ist.

Den Vormarsch Chinas auf dem Kontinent verfolgt Pandors Familie übrigens aus nächster Nähe. Ihr Mann Sharif verkaufte im Jahr 2015 rund ein Drittel seiner Anteile an seiner damaligen Bergbaufirma Genorah Resources an den chinesischen Konzern Zijin. Dass die Ministerin einst für ihren Ehemann zum Islam konvertierte, wäre eine unfaire Erklärung für Südafrikas Haltung zum Gazakrieg. Der ANC verfolgt seit Jahrzehnten eine ausgesprochen propalästinensische Politik.

Hadithe zitiert

Doch es irritierte schon, als Pandor im Februar als Vertreterin einer säkularen Regierung in einem zu 85 Prozent christlichen Land zur Beschreibung des Gazakriegs Hadithe zitierte, also überlieferte Geschichten aus dem Leben des Propheten, die als moralischer Kompass für Muslime gelten. "Muslime könnten und sollten nicht mit denen zusammenarbeiten, die andere unterdrücken", sagte sie bei einem Treffen mit Muslimen in Südafrika, "und vor allem müssen wir davon absehen, Unterdrücker zu unterstützen, denn das stärkt sie nur."

Der ANC lässt die bestens verknüpfte Pandor gewähren – wohl nicht zuletzt, weil ihre außenpolitischen Akzente gut zwei Monate vor den Wahlen in Südafrika am 29. Mai vom desolaten Zustand der Partei ablenken. Angesichts anhaltender Korruption, der Massenarbeitslosigkeit und täglicher Stromausfälle wird der ANC Umfragen zufolge wohl erstmals die absolute Mehrheit verlieren.

Wer etwa in der ANC-Zweigstelle der Stadt Pietermaritzburg vorbeischaut, der realisiert, dass die einstige Befreiungsorganisation derzeit ganz andere Sorgen hat als Pandors große Außenpolitik. Dort warten sie wie vielerorts noch immer auf die Wahlplakate. Für ihren Druck fehlte der maroden Partei bislang schlicht das Geld. (Christian Putsch aus Pietermaritzburg, 22.3.2024)