Schild mit der Aufschrift
Während das Video der kontradiktorischen Einvernahme des achtjährigen Opfers vorgeführt wird, ist die Öffentlichkeit ausgeschlossen.
APA / HARALD SCHNEIDER

Wien – Die Tränen beginnen zu fließen, als die Zeugin dem Schöffengericht unter Vorsitz von Katharina Adegbite-Lewy vom 9. Mai 2023 erzählt. Die 34-Jährige war damals mit ihrem acht Jahre alten Sohn im Vogelweidpark in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus spielen. "Er ist dann in den Sportbereich gegangen. Normalerweise kommt er von selbst alle fünf bis zehn Minuten zu mir zurück und sagt, dass alles in Ordnung ist. Da er länger nicht gekommen ist, habe ich ihn gesucht und nach ihm gerufen. Da ist er weinend aus dem Gebüsch gekommen, dieser junge Mann kam hinterher", zeigt die Mutter auf den angeklagten Herrn K., 18 Jahre alt.

Staatsanwältin Julia Johnson wirft dem Unbescholtenen versuchte Vergewaltigung und versuchten schweren sexuellen Missbrauch eines Unmündigen vor. Soll er doch den ihm unbekannten Buben vom Sportplatz in ein Gebüsch gezerrt haben, versucht haben, ihm die Jogginghose auszuziehen und sich an ihm zu vergehen. Zum Glück schaffte es das sich heftig wehrende Kind, den Teenager in den Bauch zu boxen und anschließend zurück zur Mutter zu flüchten. "Er hat mir versucht wehzutun!", sagte der Sohn zur Mutter, die den Angeklagten gemeinsam mit einem Passanten festhielt, bis die Polizei eintraf.

Impulskontrolle herabgesetzt

Bei der Einvernahme durch die Beamten sagte der damals noch 17-jährige Österreicher, er wisse zwar, dass er im Gebüsch gewesen sei, könne sich aber an nichts weiter erinnern. Bei der Jugendgerichtshilfe sagte er, das Kind habe ihn um den Weg zur Toilette gefragt, dann sei es "über ihn gekommen wegen meiner Krankheit". Tatsächlich hat der Angeklagte seit dem 18. Geburtstag seinen Vater als Erwachsenenvertreter, laut dem psychiatrischen Gutachter Peter Hofmann hat K. ADHS und eine leichte bis mittelgradige Intelligenzminderung. Auch eine "relevante Herabsetzung der Impulskontrolle" konstatierte Hofmann, der in seiner Expertise aber dennoch zum Schluss kam, dass der Angeklagte zurechnungsfähig sei und die Voraussetzungen für eine strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nicht vorliegen.

Vor Gericht macht der 18-Jährige, der seine Tage mit Arbeit bei Jugend am Werk verbringt, nicht den Eindruck, dass er allzu viel mitbekommt. Den Namen seiner leiblichen Mutter weiß er nicht, auch sonst schweigt er auf die Fragen der Vorsitzenden großteils. Nur die Erkundigung: "Haben Sie etwas falsch gemacht?" beantwortet er – "Ja, ich bin schuldig", gesteht er. "Wollen Sie mir noch etwas sagen?", fragt Adegbite-Lewy. "Nein", hört sie.

Folgen für das Opfer

Die als Zeugin geladene Mutter schildert noch die psychischen Folgen des Verbrechens für das Opfer. "Er war auffällig in der Schule und zu Hause. Dann gab es eine Phase, wo er sehr in sich gekehrt war", berichtet sie. "Ich glaube, mittlerweile versteht er schon, dass er nicht schuld ist und das jedem hätte passieren können. Ich habe das Gefühl, dass es ihm etwas besser geht." 500 Euro fordert Privatbeteiligtenvertreterin Sarah Mayrhofer als symbolisches Schmerzensgeld für das Kind, der im Publikum anwesende Vater des Angeklagten verspricht, die Summe zu zahlen.

Der Erwachsenenvertreter habe auch versucht, für seinen Sohn Beratung und Therapie zu organisieren, erzählt der Verteidiger dem Gericht, bei der Männerberatung sah man sich für den Fall aber nicht zuständig. Mittlerweile gibt es aber eine Therapiezusage eines anderen Vereins. Die Behandlung sei auch dringend notwendig, hat Gerichtspsychiater Hofmann konstatiert. Selbst Staatsanwältin Johnson stellt in ihrem Schlussplädoyer fest: "Der Angeklagte braucht offensichtlich Hilfe", der Verteidiger ist überzeugt, dass eine Bestrafung nicht zielführend sei.

Angeklagtem tut es leid

Am Ende, als die Vorsitzende dem Angeklagten das Recht auf das letzte Wort erteilt, schweigt K. zunächst wieder, wird dann aber von seinem Vater aus dem Publikum angezischt: "Sag, dass es dir leid tut!" Der 18-Jährige folgt: "Es tut mir leid, was ich ihm angetan habe!", gibt er bekannt.

Nach kurzer Beratung verurteilt der Senat ihn anklagekonform zu acht Monaten bedingter Haft. Da es bei einer Vergewaltigung aber nicht mehr die Möglichkeit einer gänzlich bedingten Verurteilung gibt, wird zusätzlich eine unbedingte Geldstrafe in der Höhe von 120 Tagsätzen à vier Euro ausgesprochen. Darüber hinaus erhält der Angeklagte die Weisung, eine Therapie zu absolvieren, und bekommt Bewährungshilfe zur Seite gestellt.

Die Unbescholtenheit, die Intelligenzminderung, die verminderte Steuerungsfähigkeit und die Tatsache, dass es beim Versuch geblieben sei, werden als mildernd gewertet, der einzige Erschwerungsgrund ist das Zusammentreffen zweier Verbrechen, begründet Adegbite-Lewy die rechtskräftige Entscheidung. "Ist für Sie erledigt. Gehen Sie regelmäßig zur Therapie und zum Bewährungshelfer. Alles Gute!", verabschiedet die Vorsitzende den Angeklagten. (Michael Möseneder, 21.3.2024)