Ein Maskierter bricht mit einem Stemmeisen eine Tür auf. 
Besseres Werkzeug als der Herr auf diesem gestellten Bild soll ein Angeklagter dabeigehabt haben, als er bei einem Wohnungseinbruch auf frischer Tat ertappt worden ist.
APA / dpa / Silas Stein

Wien – Dass man nicht zweimal in denselben Fluss steigen kann, da die Welt in einem ständigen Wandel ist, soll bereits Heraklit von Ephesos erkannt haben. Von der pausenlosen Veränderung sind wir alle betroffen. Auch Herr H., der sich als Angeklagter vor einem Schöffengericht unter Vorsitz von Roman Palmstingl verantworten muss. Es ist bereits der zweite Rechtsgang, ihm wird von der Staatsanwaltschaft gewerbsmäßiger Diebstahl vorgeworfen, sein Verteidiger David Jodlbauer sieht nur zwei normale Diebstahlsdelikte. Die erste Verurteilung wurde vom Obersten Gerichtshof aufgehoben, er sah nicht genügend Beweise für eine gewerbsmäßige Begehung der Taten.

Einst war der 63-jährige Serbe eine große Nummer und Teil der "Opernball-Bande", die mit Einbrüchen in die Häuser Prominenter große Beute machte. 2010 und 2014 wurde er jeweils verurteilt, mittlerweile ist der gelernte Buchbinder, der auch unter drei Aliasnamen aktiv war, vermögenslos. Ein Vorwurf betrifft den Diebstahl eines Mobiltelefons in einem Elektronikgeschäft, am 2. Dezember 2022 wurde er bei einem versuchten Wohnungseinbruch auf frischer Tat ertappt.

Das sei aber eigentlich "Pech" gewesen, sagt der Angeklagte. "Nach der Haftentlassung wurde ich krank und wurde daheim operiert. Ich habe damals in Bratislava gewohnt und wollte mein Werkzeug verkaufen. Deshalb bin ich wieder nach Wien gekommen. Der Käufer ist aber nicht erschienen. Also habe ich sie doch benutzt", erzählt H. dem Gericht. "Sie haben aber auch schwarze Handschuhe angehabt, als Sie erwischt wurden. Die wollten Sie ja wohl nicht verkaufen?", fragt der Vorsitzende nach. "Die waren wegen Corona. Die Medien haben ja so viel darüber berichtet, das hat mir Angst gemacht", kontert der 63-Jährige.

Tankstellenjob in Aussicht

"Wie soll es mit Ihnen denn weitergehen?", fragt der Verteidiger. "Ich bin von Beruf Buchbinder, es ist leider schwierig, da was zu finden", bedauert H. die Digitalisierung und den Verlust der Lesekompetenz. Eine Bekannte seiner verstorbenen Gattin habe ihm mittlerweile aber einen Job in ihrer Tankstelle in Deutschland angeboten.

Die Staatsanwältin glaubt in ihrem Schlussvortrag dabei: Es sei nur eine Ausrede, der Angeklagte habe bereits in der Vergangenheit eine Einbruchsserie begangen, und natürlich hätte er weitermachen wollen. Verteidiger Jodlbauer sieht das naturgemäß anders. Sein Mandant sitze seit einem Jahr und drei Monaten in Untersuchungshaft. "Da kann er auch als Buchbinder arbeiten, was draußen nicht mehr möglich ist", macht er klar, dass sich die Strafvollzugsabteilung um aussterbende Berufe kümmert. Der Gesundheitszustand seines Mandanten habe sich in der Zwischenzeit aber weiter verschlechtert, im Juni stehe eine Gehirnoperation an, ist der Rechtsvertreter überzeugt, dass H. gesundheitlich gar nicht mehr in der Lage für weitere Einbruchsdiebstähle wäre.

Das Gericht folgt dieser Meinung und verurteilt den Angeklagten wegen Einbruchsdiebstahls in eine Wohnstätte zu zwei Jahren unbedingter Haft. Die Untersuchungshaft wird auf die Strafe angerechnet, die Einbruchswerkzeuge konfisziert. "Nicht, dass sie nochmals auf die Idee kommen, unabsichtlich was zu machen", kann sich der Vorsitzende bei der Urteilsbegründung nicht verkneifen. Da sich Anklägerin und Verteidiger Bedenkzeit nehmen, ist das Urteil nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 24.3.2024)