Drohnenaufnahme vom Pool und Schwimmteich im Krallerhof
Der neue Wellnesstrakt des Hotels Krallerhof in Leogang stammt von Stararchitekt Hadi Teherani.
Krallerhof

Von den heimeligen Zirbenstuben des Krallerhofs in Leogang führt ein kühler Gang unter der Erde zum verjüngten Selbst des Hotels. Das dynamisch geschwungene Holzgerippe in der Betonröhre soll Flanierende spüren lassen: Mit jedem Schritt entlang dieser gezimmerten Wirbelsäule im Bauch der grauen Architekten-Anakonda darf man sich leichter und jugendlicher fühlen. Dann steht man erquickt mitten in dem luftigen Wellnessbereich namens Atmosphere, den der persisch-deutsche Stararchitekt Hadi Teherani für den Salzburger Traditionsbetrieb entworfen hat.

Am hinteren Ende des Gebäudes kann man durch eine Glastür in das Innere einer Eiskammer blicken. Eine Frau Anfang sechzig sitzt im Badeanzug auf einer Schaukel, die von der vereisten Decke hängt, und wippt vergnügt wie ein junges Mädchen hin und her. Es scheint also zu stimmen, was einem das Personal in den Medical-Wellness-Abteilungen der besseren Häuser immer flüstert: Ein paar Minuten in der Kryokammer reichen schon aus, und man gewinnt den Eindruck, um Jahre verjüngt zu sein. Doch ist es überhaupt das erklärte Ziel des Megatrends Longevity, der ab Mai 2024 auch im Krallerhof angeboten wird, sich nur kurzfristig besser zu fühlen?

Vereiste Schaukel in einer Kältekammer
Darin sind auch mehrere Kältekammern untergebracht – wie jene mit einer eisigen Schaukel zum Baumelnlassen der Seele.
Krallerhof

Michaela Altenberger, die sich mit der Umsetzbarkeit von Langlebigkeitsmedizin alias Longevity in ihrem Haus auseinandergesetzt hat, meint, dass eher das Gegenteil der Fall sei. Das Konzept ist auf Ausdauer und Wiederholung ausgelegt. "Aber in der Kryokammer spürt man halt sofort einen positiven Effekt." Altenberger hat Longevity vor zehn Jahren in den USA kennengelernt und unlängst befunden, dass man älteren Konzepten von Wellness auch im Pinzgau Verjüngungskuren angedeihen lassen könnte. Einziehen wird das neue Konzept nun bei ihr im neu geschaffenen Tempel des Regenerierens, dem Atmosphere-Gebäude. Doch ist Longevity tatsächlich mehr als nur eine neu etikettierte, teure Wohlfühlwelt?

Dass wir alle quicklebendige Methusalems werden, erscheint heute vielen wie ein alternatives Glaubensbekenntnis. Doch Älterwerden ist ärgerlicherweise mit mehr gesundheitlichen Einschränkungen verbunden, als wir uns eingestehen wollen. Ja, das Altern ist sogar nach wie vor die häufigste Todesursache, wie auch Andrea Maier, eine der bekanntesten Longevity-Ärztinnen, völlig ironiefrei anmerkt. Die Leiterin des Longevity-Zentrums Chi in Singapur sagt, dass sich unsere physiologischen Systeme im Alter von 50 Jahren rapide verschlechtern, ab 60 treten dann bei fast jedem altersbedingte Krankheiten auf. Die Langlebigkeitsmedizin sei nun dazu da, frühzeitig in sich zu investieren und nicht erst dann, wenn es zu spät ist. Sie ist eben nicht dafür bestimmt, künstlich die Lebenserwartung zu erhöhen, sondern den Menschen ein gesünderes Leben im Alter zu ermöglichen.

Investition in die Vorsorge

Weltweit werden bereits Unsummen in diesen Sektor investiert, der überwiegend auf Wissenschaft und nachvollziehbaren medizinischen Erkenntnissen beruht. Laut US-Marktforschern hat der aktuell fast 120 Milliarden US-Dollar schwere Longevity-Markt das Potenzial, bis 2028 auf 165 Milliarden zu wachsen. Wohl auch, weil die Menschen immer älter werden und die Gesundheitskosten gerade explodieren. Die Langlebigkeitsmedizin zielt demnach auch darauf ab, rechtzeitig in die Vorsorge und nicht in die Behandlung zu investieren.

Sportbecken im Schwimmteich
Ein Sportbecken im Schwimmteich des neuen Wellness-Trakts des Krallerhof
Krallerhof

In Zürich sperrt in diesen Tagen die erste Longevity-Tagesklinik mit dem Ziel auf, die Klientel mit den modernsten Methoden der Geroscience, also der Wissenschaft des Alterns, auf Risikofaktoren zu untersuchen. Doch auch dort wird man den Kundinnen und Kunden versichern müssen, dass sie die wichtigsten Aspekte für vitale Langlebigkeit selbst beeinflussen können: angenehme soziale Kontakte, genügend Bewegung und Schlaf, gesundes Essen und die Reduktion von Stress. Die Aussichten auf einen guten Allgemeinzustand im hohen Lebensalter hängen laut den meisten Gerowissenschaftern also viel weniger von unseren Genen ab als von unseren Verhaltensweisen.

Umgemünzt auf ein Longevity-Hotel, wie es der Krallerhof künftig ganzheitlich sein möchte, werden auch viele der dort angebotenen Programme auf Bekanntes abzielen: Guter Schlaf ist ebenso wichtig wie die Möglichkeit zum Regenerieren, die schon alleine durch den Tapetenwechsel im Vergleich zu den eigenen vier Wänden begünstigt wird. "Wir würden uns für die Zukunft als Idealzustand wünschen, von unseren Gästen als eine Tankstelle für verbrauchte Akkus wahrgenommen zu werden", formuliert das Altenberger. Dafür werde man auch spezielle Coaches einsetzen, die einer laut Altenberger "allgemeinen Überreiztheit der Menschen" gut begegnen könnten. "Das funktioniert über eine Art Runterregulieren ähnlich wie die REM-Phasen im Schlaf, in denen man besonders gut regeneriert." Auf jeden Fall will man Longevity-Programme nicht nur älteren Menschen anbieten, sondern auch Familien. "Gerade Kinder leiden immer öfter unter verschiedensten Formen von Stress und müssen frühzeitig das Abschalten lernen", meint Altenberger.

Blau beleuchteter Indoorpool im Krallerhof
Kühles Licht im Indoorpool namens "Blaue Grotte"
Krallerhof

Als Rocket-Science verkauft die Hotelière, die auch systemischer Coach ist, die angebotenen Tools nicht: "Letztlich geht es um ein gesundes Verhältnis zwischen Anspannung und Entspannung – wie beim Skifahren und in der Sauna. Während der Anspannung kann ich nicht denken, und erst dadurch ist es möglich, tief zu regenerieren." Funktionieren würde das Angebot jedenfalls nur, wenn man die Anleitungen für ein gesünderes Leben nicht mit erhobenem Zeigefinger geben würde. Und im Gegensatz zu einer Kur ist es bei einem Longevity-Aufenthalt auch machbar, dass sich der unwillige Partner oder die skeptische Partnerin etwa beim Essen und Trinken und in ihren Gewohnheiten gar nicht einschränken müssen. Auch Mitarbeitenden macht Altenberger einmal in der Woche das Angebot, die Coachings kennenzulernen. "Die Arbeit im Tourismus ist fordernd. Da liegt es nahe, dass möglichst viele in unserem Betrieb die Tools zum Regenerieren nutzen und am eigenen Leib erfahren."

Altenberger möchte jedenfalls, dass der Unterschied zu herkömmlichen Wellness-Aufenthalten selbst bei sehr kurzen Aufenthalten spürbar ist: "Wiederholte Kälteanwendungen gehen sich auch an einem Wochenende aus und hinterlassen einen deutlich stärkeren Effekt als mehrere Massagen." Sie ebnen gewissermaßen die erste Etappe auf einem nicht immer einfachen Weg zum Reset vom Alltag. Wie gut, dass es auch in einem Longevity-Hotel mehr als eine Schaukel im verglasten Eiskasten gibt, auf der die Seele baumeln kann. (RONDO, Sascha Aumüller, 31.3.2024)