Filippo Sorcinelli ist bekannt für seine exklusiven Weihrauch-Parfums
Filippo Sorcinelli ist bekannt für seine exklusiven Weihrauch-Parfums
Filippo Sorcinelli

Sie tragen Namen wie "Basilica di Assisi" oder "Santa Casa". Sieben Sakristeien und die Kirchen und Städte, wo diese zu finden sind, hat Filippo Sorcinelli olfaktorisch eingefangen. "Memento" nennt der Italiener seine neue Duftserie. In dieser spielt Weihrauch eine tragende Rolle – das überrascht wenig, setzt er das getrocknete Harz doch bei jedem seiner Parfums ein. Nicht umsonst wird der 48-Jährige in den Medien gerne als "König des Weihrauchs" tituliert. Den Grundstein dafür legte der Italiener mit seinem ersten Duft, der sich "Lavs" nennt, genau wie seine Linie für klerikale Bekleidung – Sorcinelli kleidete unter anderem Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus ein. Kreiert hat er das Weihrauchparfum, um die sakralen Gewänder vor dem Versand an die Kundschaft zu beduften. Sorcinelli möchte das Parfum "Lavs" als ökumenisch verstanden wissen. Bei der neuen Duftserie ist ein dezidiert katholischer Konnex unbestreitbar – zumindest was die Geschichte dahinter betrifft. "Der Priester spricht das Wort 'memento', was 'erinnere dich an mich' bedeutet, bevor er sich in die Sa­kristei begibt. Dort werden die Schätze der Kirche in Kassetten aufbewahrt. Es ist ein intimer, sehr privater Ort", erklärt Sorcinelli.

Emotion und Erinnerung

Schon als Kind habe ihn die Faszination für die Kirche gepackt. Seine Mutter putzte die Kirche im italienischen Dorf Mondolfo, das zwischen Rimini und Ancona liegt. Ihr Sohn begleitete sie oft. Dabei habe er eine Leidenschaft für alles, was er in der Kirche wahrgenommen habe, entwickelt, insbesondere den Weihrauch. Was macht die Begeisterung für das Harz des Boswellia-sacra-Baums aus? "Sowohl bei Religion als auch bei Weihrauch fasziniert mich das Mystische, das Nichtgreifbare. Duft hat – genau wie Musik - eine transzendente Wirkung. Gerüche dienen als Transportmittel für Emotionen und Erinnerungen", erklärt Filippo Sorcinelli. Und sie spielen in der Religion eine wichtige Rolle.

Memento, Filippo Sorcinelli
Die Serie Memento ist sieben Sakristeien gewidmet
Filippo Sorcinelli

Bereits in der Antike wurden Duftstoffe als Opfergaben für Gottheiten verwendet. Die Aromen der jeweiligen Pflanzen und Hölzer hat man durch Verbrennung freigesetzt (daher stammt übrigens auch das Wort Parfum, "per fumum", lateinisch, heißt "durch Rauch“). Weihrauch nahm von jeher einen speziellen Stellenwert ein. Im alten Ägypten wurde er für kultische Zwecke, etwa bei Mumifizierungen, eingesetzt. Den Israeliten war die Verwendung von Weihrauch außerhalb des Gottesdienstes per biblische Weisung aus dem zweiten Buch Mose unter Strafe verboten. Auch die Sumerer, Babylonier und Perser kannten den Weihrauch. In der orthodoxen Liturgie ist er „der Duft des Himmels", in der katholischen Kirche soll er die Gebete zu Gott transportieren. Heute wird Weihrauch natürlich auch rein säkular eingesetzt – in zahllosen Parfums etwa wie in den Kreationen von Filippo Sorcinelli.

Woher nimmt der Italiener die Inspiration für seine Düfte? "Ich übersetze Emotionen oder Erinnerungen spezifischer Momente in Parfums", sagt Sorcinelli. Was diese etwas diffuse Erklärung konkret bedeutet, illustriert er anhand eines weiteren neuen Duftes in seinem Portfolio, der ganz und gar nicht fromm daherkommt. Er heißt "Quickie and Coffee" und ist Teil der Serie "X SÉ". Inspiration dahinter ist, wie der Name vielleicht schon suggeriert, eine erotische Begegnung . "Man trifft jemanden auf der Toilette einer Raststätte, hat Sex, und bevor es wieder zurück auf die Straße geht, genießt man noch einen Kaffee", erläutert Sorcinelli die Idee hinter dem Parfum, das unter anderem Moschus, Safran und Kaffeenoten beinhaltet. Auch die weiteren Düfte der Serie legen pikante Ursprünge nahe – mit Namen wie "Cruising Area" oder "Cyber Sex". Letzteren trägt Filippo Sorcinell selbst seit einiger Zeit. Das sei ungewöhnlich für ihn. Normalerweise verzichte er komplett auf Parfum. Das finde er auch bei seinem sexuellen Gegenüber erregend. Er wolle den Menschen ganz ohne olfaktorische Maske wahrnehmen.

Quickie and Coffee, Filippo Sorcinelli, Sex
"Quickie and Coffee" ist inspiriert von einer erotischen Begegnung
Filippo Sorcinelli

"Sexualität ist ein integraler Aspekt des menschlichen Daseins", sagt Sorcinelli und zele­briert diesen Aspekt anscheinend in vollen Zügen. Bis vor kurzem waren auf seinem Instagram-Account zahlreiche Fotos von ihm zu sehen, auf denen er sich aufreizend inszeniert und viel nackte Haut zeigt. Diese sind seit einiger Zeit aber verschwunden. Zu viel Fokus auf Sex für die katholische Kirche, zu der Sorcinelli offensichtlich ein gewisses Naheverhältnis hat?

Er winkt ab. Die Neuausrichtung seines Profils habe nichts mit der Kirche zu tun. Auch Balenciaga ändere den Instagram-Account alle sechs Monate. Warum also nicht auch er? Die Aufmerksamkeit soll mehr auf die Marke gelegt werden und weniger auf ihn als Person, erklärt Filippo Sorcinelli. Außerdem sei es mit knapp 50 nicht mehr angebracht, so viel Haut zu zeigen, scherzt er. Doch die Kirche mische sich nicht in seine Belange ein. Er sei schließlich nicht bei ihr angestellt und dürfe über alles reden, worüber er wolle. Dazu gehört anscheinend nicht der Umgang der katholischen Kirche mit Sexualität. Auf mehrmaliges Nachfragen wiederholt er immer wieder: "Ich respektiere die Kirche, und die Kirche respektiert mich." Amen. (RONDO, Michael Steingruber, 31.3.2024)