Von Tiktok bis Drogeriemarkt: Der "Kampf gegen die Cellulite" ist omnipräsent.
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Der Tiktok-Clip rät zu einer Paste aus Kokosöl, Zimt, Kaffee und Zucker, mit der ich meine Oberschenkel einschmieren soll. Mit dem pampigen Gemisch könne ich die Dellen in meiner Haut einfach wegrubbeln. Doch wer schon einmal mit braunem Gatsch an den Wadln im Bade­zimmer gestanden ist und nach schmerzhaftem Schrubben hoffnungsvoll in den Spiegel geschaut hat, weiß: Aus den Zutaten für dieses Peeling hätte man besser einen Kuchen gebacken. An den Oberschenkeln ändert es nämlich nichts.

Die Cellulite-Lüge

Der "Kampf gegen die Cellulite" ist omnipräsent. Nicht nur auf Tiktok werden "Life-Hacks" dagegen angepriesen. Wem die DIY-Schmiererei zu aufwendig ist, der findet im Drogeriemarkt regalweise Cremes, Peelings und sogar eigene kleine Roller, die dellige Oberschenkel angeblich glattbügeln sollen. Beauty-Magazine liefern Tipps gegen die berüch­tigte "Orangenhaut" wie Massagen und sogar Eistherapien. Das alles kann natürlich das richtige "Anti-Zellulite-Workout" nur ergänzen, verrät eine ganze Armee an Fitness-Coaches auf Instagram, die auch gleich ihre "Workout-Routine" als einzig richtige gegen hubbelige Hüften verkaufen.

Kein Leiden

In dem Meer aus Ratschlägen finden sich aber auch Medizinerinnen und Creator, die die Fakten beim Namen nennen: Selbst wer eingeschmiert mit Kaffeepulver-Pampe tausend Kniebeugen am Tag macht, wird langfristig kaum etwas an der Oberflächenstruktur der Beine und des Gesäßes ändern. Rund 80 Prozent der Frauen haben an Oberschenkeln und Hintern Dellen. Je nach Veranlagung schon ab der Pubertät, relativ unabhängig von Körpergewicht und Lebensstil. Dass vorwiegend Frauen diese Hautstruktur aufweisen, hat mit dem elastischeren Bindegewebe zu tun. Was sich in der Schwangerschaft besser dehnt, lässt nun einmal auch das Fettgewebe dar­unter besser durchquellen.

Den Begriff Cellulite gibt es erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts.
Eylül Aslan

Als "Problemzone" ist die Cellulite aber noch ziemlich jung. Überhaupt gibt es den Begriff erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Medizin bezeichnete damit aber ursprünglich die Zellulitis, eine bakterielle Entzündung der Haut und der darunterliegenden Gewebsschichten. Im Gegensatz zu schwachem Bindegewebe erfordert eine solche Entzündung auf jeden Fall eine Behandlung.

In der Zwischenkriegszeit begannen Frauenmagazine in Frankreich allerdings, auch die harmlosen Unebenheiten als "Cellulite" zu bezeichnen. Angeblich kämen diese von Schlacke und Giften, die sich unter der Haut ablagern würden, war dort fälschlich zu lesen. Doch Produkte dagegen verkauften sich, und ab den 1960er-Jahren fand der Begriff dann auch Einzug in die Schönheitsindustrie außerhalb Frankreichs. Obwohl klar ist, dass "Cellulite" völlig harmlos ist, sind einschlägige Produkte noch immer Kassenschlager. Dabei bringt es eine junge Frau auf Tiktok wunderbar auf den Punkt: Viele schöne Dinge in der Natur haben kleine Dellen. Erdbeeren und der Mond zum Beispiel. Und eben auch viele Oberschenkel. (RONDO, Antonia Rauth, 7.4.2024)