Künstlerische Darstellung KI und Quantencomputer
Die Verbindung von Künstlicher Intelligenz und Quantencomputern soll revolutionäre Anwendungen ermöglichen. Um diese Vision voranzutreiben, will eine neu gegründete österreichische Plattform Kompetenzen bündeln und Forschungsfelder enger verknüpfen.
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Zwei große Trends werden künftige technische Systeme wesentlich prägen: Lernfähige Algorithmen in Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) sind dabei, alle menschlichen Lebensbereiche zu durchdringen. Auf der anderen Seite steht mit Berechnungen auf Quantenbasis die nächste Informatik-Revolution an, die Kryptografie, Optimierungsaufgaben, physikalische Simulationen und viele andere Disziplinen auf neue Beine stellen wird. Doch wie steht es eigentlich um die Kombination dieser beiden Sphären? Wie kann man KI und Quantencomputer sinnvoll verbinden? Und wie weit sind wir noch weg von einer leistungsfähigen Quanten-KI?

In Österreich wurde gerade erst eine Plattform gegründet, um die beiden Forschungsfelder näher zueinanderzuführen. "Quantum Connect" möchte nicht nur in Forschung und Industrie vernetzen und eine Community von Entwicklerinnen, Laien, Experten und Expertinnen aufbauen, sondern auch einschlägige Inhalte, Tutorials, Trainingsgelegenheiten und Referenzbeispiele anbieten.

Vernetzung und Austausch fördern

"Bisher gibt es im Bereich Quantum-Machine-Learning noch wenig Aufmerksamkeit und Austausch. Wir möchten Bewusstsein für das Thema schaffen und einen niederschwelligen Einstieg bieten, der vom Studierenden bis zum KI-Experten in der Industrie alle anspricht", resümiert der Projektverantwortliche Jona Boeddinghaus. Er leitet das operative Geschäft beim Wiener KI-Entwickler Gradient Zero – einem der Unternehmen, die hinter der Plattform stehen.

Zu den weiteren Organisationen hinter Quantum Connect gehört QMware, ein Anbieter von Quanten-Cloudinfrastruktur, das in diesem Bereich auch mit dem Austrian Institute of Technology (AIT) kooperiert. Weiters dabei ist das Berliner Quanten-Software-Start-up Anagor, das mit seiner Plattform PlanQK bereits eine von der Community betriebene Plattform für Quantensoftware ins Leben gerufen hat. Als Kooperationspartner mit an Bord ist auch die FH Technikum Wien, die etwa einschlägige Ausbildungen anbietet, und die bereits bestehende einschlägige Plattform Quantum Society Austria (QSA).

Vorweg: Noch gibt es keinen echten "Quantenvorteil", durch den Quantencomputer die Fähigkeiten konventioneller Rechensysteme wesentlich überflügelt hätten. Fachleute erwarten allerdings, dass in wenigen Jahren brauchbare Anwendungen mit tatsächlichem Mehrwert entstehen. Wirtschaft und Industrie sind angehalten, sich gut auf diese Zeit vorzubereiten, um resultierende Vorteile dann schnellstmöglich nutzen zu können.

IBM Q System One
Im Jahr 2019 präsentierte IBM mit seinem Q System One den ersten kommerziellen Quantencomputer der Welt.
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Training neuronaler Netze

Gleichzeitig ist auch eine direkte Integration von maschinellem Lernen und universellen Quantencomputern noch eine entfernte Vision. Für KI müssen enorm große Datenmengen verarbeitet werden, bisherige Quantenprozessoren lassen dagegen lediglich eine überschaubare Anzahl von Qubits tatsächlich kontrollieren – ein Gegensatz, der nur schwierig zusammengeht. "In bestimmten Aspekten können sich KI- und Quantentechnologien dennoch jetzt schon gut ergänzen und gegenseitig verbessern", hebt Boeddinghaus hervor.

Beispielsweise könnten Quantencomputer bei der sogenannten Hyperparameteroptimierung helfen, die Teil von Machine-Learning-Ansätzen ist. Dabei geht es um eine Art "Einstellung" des KI-Modells, die das Training der neuronalen Netze vorbereitet und steuert. "Diese Parametrisierung des KI-Systems ist besonders rechenaufwendig, und es gibt bereits Forschungen zur Frage, wie die Suche nach optimalen Werten von Quantenalgorithmen übernommen werden kann", erklärt Boeddinghaus.

Ein anderes Beispiel betrifft die sogenannte Feature-Selection im maschinellen Lernen. Dabei geht es um bestimmte statistische Merkmale, die für das Training der neuronalen Netzwerke ausgewählt werden, um ein möglichst gutes Ergebnis zu erhalten. "Bei einem System, das Wertpapiermärkte analysiert, stellt sich etwa die Frage, wie man Preisbewegungen zusammenfasst, um sie für das Training zu verwenden. Dazu muss man wissen, welchen Einfluss verschiedene Varianten haben", veranschaulicht Boeddinghaus. "Auch an der Verbesserung dieser Optimierungsfrage mittels Quantenalgorithmen wird gearbeitet."

Komplexität verständlich vermitteln

Problemstellungen dieser Art sollen via Quantencomputer, die über Cloud-Infrastrukturen zugänglich sind, bearbeitet werden, vorerst aber vor allem auch über konventionelle Computersysteme, die auf die Simulation von Quantensystemen ausgerichtet sind. "Unser Projektpartner QMware stellt Hardware dieser Art zur Verfügung, mittels derer Quantenprozessoren mit bis zu 40 Qubits simuliert werden können", erklärt Boeddinghaus. "Das stellt uns eine Spielwiese zur Verfügung, auf der man schon einiges ausprobieren kann."

Für ihn geht es nun darum, die Plattform in Form eines Vereins zu etablieren, ein Ökosystem aufzubauen und der Community Strukturen zu geben. Gleichzeitig sollen Partner gefunden werden, mit denen sich erste Projekte umsetzen lassen. "Wir sind bereits mit Unternehmen aus der Finanz- und Baubranche für erste Kooperationen im Bereich Quantum-Machine-Learning im Gespräch", lässt der Projektleiter durchblicken.

Könnte aus Quantum Connect künftig auch ein eigenes Unternehmen werden, das Services anbietet? Boeddinghaus: "Das ist eine offene Frage. Die Idee besteht, und es könnte in diese Richtung gehen." Aktuell stünden aber die Community und die Frage, wie man das komplexe Thema verständlich vermittelt, im Vordergrund. Die Hürden seien noch unnötig hoch. Denn: "Nicht jeder, der mit KI und Quantencomputern zu tun hat, muss Mathematik studieren", schließt Boeddinghaus. (Alois Pumhösel, 12.4.2024)