1851 fand man nördlich von Melbourne Gold. Innerhalb von zehn Jahren explodierte die Einwohnerzahl der Stadt von 25.000 Einwohner auf über eine halbe Million, die Bevölkerung Australiens verdreifachte sich. Das Gold unserer Tage ist mitunter die höhere Bildung. Kein anderes Land profitiert derzeit mehr davon als Australien. Von 2000 bis 2024 hat sich die Zahl internationaler Studierender von 100.000 auf knapp 600.000 und damit auf über 26 Prozent der Studierenden insgesamt erhöht. Von 2023 bis 2024 stieg die Zahl der internationalen Studierenden so stark, dass die Covid-Delle mehr als kompensiert wurde.

Das alles brachte den australischen Universitäten gewaltige Einnahmen durch Studiengebühren. Fast zehn Milliarden Euro. Das trug zu einer realen Verdreifachung der Universitätsbudgets und einem beeindruckenden Anstieg des Forschungsoutputs bei. Unter den Top 20 der weltbesten Universitäten des renommierten QS-Rankings 2024 befinden sich zwei australische Universitäten: die University of New South Wales (UNSW) und die University of Sydney. Aber auch eine Uni aus Europa schaffte es unter die Top 20, und zwar die ETH Zürich.

Drittbeliebteste Studiendestination

Gruppe Studierender geht eine Treppe hinunter.
Australien ist gerade bei chinesischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern ein beliebtes Studienland.
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Von den knapp 600.000 internationalen Studierenden kommen ungefähr 120.000 aus China und 100.000 aus Indien – Letztere studieren vor allem in Melbourne. An den drei großen Universitäten Sydneys, der UNSW, der University of Sydney und der University of Technology Sydney studieren mehr junge Chinesinnen und Chinesen als an allen 33 Universitäten Kaliforniens zusammen. Dabei ist Australien in absoluten Zahlen nur die drittbeliebteste Destination für die circa 1,2 Millionen jungen Menschen aus der Volksrepublik, die es zum Studieren ins Ausland zieht – nach Großbritannien und den USA. Das ist auch die Folge der Zuzugsbeschränkungen im Vereinigten Königreich und der politischen und gesellschaftlichen Polarisierung in den USA, meint Christine Mathies, Marketingprofessorin und Studiendekanin an der UNSW Business School, gebürtige Kleinwalsertalerin und seit mehr als 20 Jahren in Sydney.

Cashcow

Dabei versuche gerade die UNSW, ihre Studierendenpopulation zu diversifizieren, meint Mathies. Das sei nicht einfach, denn die 30.000 Euro Studiengebühren pro Jahr seien für Familien aus Malaysien, Vietnam und Indonesien kaum zu finanzieren – für jene aus China hingegen schon. An der UNSW Business School liegt der Anteil der internationalen Studierenden im Schnitt bei 41 Prozent, in manchen Programmen wie im Masterprogramm Banking und Finance bei 97 Prozent, davon die überwiegende Mehrheit aus China. Attraktiv ist das Studium an der besten Business School Australiens vor allem, weil man damit in der chinesischen Heimat eine Garantie auf einen Topjob hat – die meisten Absolventen gehen also zurück.

Die enormen Chancen dieser Internationalisierung zeigen sich im Kontext der UNSW Business School: Mit 18.000 Studierenden ist sie in etwa so groß wie die Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. Das Jahresbudget der UNSW Buisness School ist allerdings um mehr als 50 Prozent höher. Auch die Faculty ist deutlich internationaler – mehr als zwei Drittel kommen aus dem Ausland, noch mehr sind im Ausland ausgebildet worden –, und die Professoren und Professorinnen werden auch deutlich besser bezahlt als bei uns. Immerhin 40 Prozent des gesamten Budgets der UNSW stammen aus den Studiengebühren der internationalen Studierenden, und die Business School ist dabei – wie in vielen ähnlich gelagerten Fällen im angloamerikanischen Sprachraum – eine Cashcow und querfinanziert andere Fakultäten. Jenseits der trockenen Zahlen erlebt man hier eine produktive Internationalität, von der wir an kontinentaleuropäischen Universitäten noch weit entfernt sind: gelebte Kollegialität und Vielfalt und eine extreme Forschungsorientierung.

Gewusst wie

Australische Universitäten sind zwar öffentlich, aber stark kommerzialisiert. Die Performance- und Kennzahlenorientierung ist hier stark verbreitet. Universitäten betreiben auch gezieltes und professionelles Marketing, um internationale Studierende zu akquirieren. Dafür ist man aber auch sehr von deren Studiengebühren abhängig. Ob das langfristig Segen oder Fluch ist, bleibt offen. Für all jene, die hier in Sydney derzeit Wohnungen suchen, ist der Bildungsgoldrausch eindeutig ein Fluch – die Stadt rangiert unter den zehn teuersten der Welt, nicht zuletzt aufgrund der hohen Zahl an internationalen Studierenden.

Aus österreichischer Perspektive fragt man sich, warum diese internationalen Studierenden so selten zu uns finden: Die Studiengebühren sind in Österreich auch für Nicht-EU-Studierende mit 1.500 Euro pro Jahr quasi nicht existent. Österreichische Universitäten wie die WU bieten mittlerweile eine Reihe erstklassiger Programme in englischer Sprache an. Noch dazu wird Wien für die überragende Lebensqualität regelmäßig ausgezeichnet und ist in Bezug auf die Lebenshaltungskosten im Vergleich zu Sydney billig. Dennoch ist der Anteil internationaler Studierender und internationalen wissenschaftlichen Personals vergleichsweise niedrig. Das ist beinahe beschämend. Wie uns das Beispiel Australien zeigt, gibt es beim volkswirtschaftlichen Potenzial von Higher Education jedenfalls noch Luft nach oben, ähnlich auch beim wissenschaftlichen Output. Verabsäumen wir etwas in unserem stillen Winkel? (Michael Meyer, Markus Höllerer, 6.4.2024)