Sängerin Bex in der Rolle der Häuptlingstochter Atala, die schnell lernt, wie man sich die Macht nimmt.
Sängerin Bex in der Rolle der Häuptlingstochter Atala, die weiß, wie man sich die Macht nimmt.
Rita Newman / Rabenhof

Zwischen Rap und Nestroy-Couplets gibt es zwar Geschwindigkeitsdifferenzen, im Kern aber sind die von spottendem bis aufbegehrendem Schmäh getragenen Reime deutlich verwandt. Angesichts der Rabenhof-Theater-Premiere der Groteske Häuptling Abendwind lässt sich sogar sagen, die Wiener Rapperin Yasmo und der Volkstheaterdichter passen zusammen wie die Faust aufs Auge. Das musikalische Theaterdebüt trieb das Publikum bis zur Verzückung.

Auf Nestroys Grundlage baut Yasmo aka Yasmin Hafedh ein neues, musikalisch unterfüttertes Stück, in dem Wiener Slang (Roman Gregory und Christian Strasser als Häuptlinge Abendwind und Biberkopf), geknödeltes Oberösterreichisch (Raphael Rameis als Arthur) und pfiffiges Wiener Denglisch (die Hip-Hop-Musikerin Bex spielt die Häuptlingstocher Atala) den Ton angeben. Yasmo lässt das von Nestroy schon lustvoll vorgeführte Patriarchat vollends aufplatteln – vom seitlichen Tisch aus, wo sie als Kommentatorin und Inselgästin vor feministischen Zeitschriften sitzt und die heute nicht mehr opportunen Manöver der Altväter hie und da mit rollenden Augen quittiert. Die Geschichte wird nicht ganz neu erzählt, Häuptlingstochter Atala indes bedeutend aufgewertet.

Instagram-Mausi

Sängerin Bex wandelt sich in dieser Rolle allmählich von der abgeschasselten Tochter, dem süßlichen Instagram-Mausi ("urviele Follower"), zur machtbewussten Thronfolgerin. Das geschieht weniger schauspielend als über eine (Gesangs-)Performance auf dem von Liegestühlen umringten Eilandgipfel (Bühne: Alina Helal und Fekry Helal). Die Mikrofone liegen da immer griffbereit. Gleich zu Beginn im Einstiegsrap erklärt Yasmo den Abend mittels einer fetten Ladung Sprechgesang: "Nestroy bescherte ein gräuliches Festmahl / Achtzehnzweiundsechzig – oida check mal / die Jahreszahl. Das ist doch nicht mehr aktuell. / Wie war das damals? Schauma noch mal schnell."

Yasmo inszeniert und kommentiert Nestroys
Yasmo inszeniert und kommentiert Nestroys "Häuptling Abendwind" im Rabenhof-Theater Wien.
Rita Newman / Rabenhof

Was hier gelingt, ist weniger eine konzise Regie als ein Bühnenkonzept, das Gesangs- mit Sprechpassagen verzahnt. Texte werden gesungen und gesprochen, manchmal ineinander übergehend. Das entlastet den Abend von ausgefeilten Reden und gibt ihm durch die zünftige, allzu laute Musik (Raphael Rameis und Yasmo) immer wieder neuen Schwung. In den Auftritts- und Abgangsmomenten liegen die Schwächen, da zerfällt der Abend zu einer Reihe von Solos.

Kannibalensong

Das ist aber intendiert, sind hier doch – mit Ausnahme von Christian Strasser – ausschließlich Musiker am Werk. Roman Gregory gibt alles beim Kannibalensong I wü ka Gemüse. Und Bex reißt mit ihrem Atala-Ermächtigungssong das Publikum schließlich von den Stühlen. Ein Star des Abends ist auch der neue Stücktext von Yasmo; die Slampoetin schlägt reim- und rhythmusversiert die knalligsten Gedankenbrücken. Das funktioniert auch im Dialog, etwa wenn Atala mit der Kommentatorin räsoniert: "Die können sich das ja gar nicht vorstellen, eine Frau in einer Machtposition. / – Warum? Gab es doch schon. / – Ja, aber nicht auf unserem Thron. / Und das wird jetzt eh wieder nix / mein Vater macht einen Deal mit dem Nachbarsdorf, die Währung bin ich." (Margarete Affenzeller, 4.4.2024)