Moskau
Meldung nach Moskau.
IMAGO/ITAR-TASS

Dafür, dass Österreich seit Jahrzehnten eine Spielwiese für internationale Geheimdienste sein soll, gibt es bemerkenswert wenige strafrechtlich relevante Fälle. Das hängt einerseits damit zusammen, dass ausländische Spione, wenn sie nicht zum Nachteil von Österreich tätig sind, wenig zu befürchten haben – was Justizministerin Alma Zadić (Grüne) jetzt ändern will. Andererseits dürften Spione, die hiesige Staatsgeheimnisse auskundschaften und an fremde Staaten verkaufen, einfach zu geschickt sein, um aufzufliegen.

In jüngerer Zeit wurde überhaupt nur ein Fall bekannt: Ein ehemaliger Bundesheeroberst wurde 2020 zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt, weil er staatliche und militärische Geheimnisse an den russischen Geheimdienst verraten haben soll. Da er die Hälfte der Strafe bereits in U-Haft abgesessen hatte, musste er nach dem rechtskräftigen Urteil nicht mehr ins Gefängnis. Laut Justizministerium gab es seit 2020 insgesamt fünf Verurteilungen: neben der gerade erwähnten Strafe wegen Verrats von Staatsgeheimnissen (§ 252 StGB) wurden zwei Personen nach § 256 (Geheimer Nachrichtendienst zum Nachteil Österreichs) verurteilt und zwei weitere wegen § 259 (Beteiligung an militärisch strafbaren Handlungen).

Die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) nennt Russland, China, den Iran und die Türkei als wichtigste Spionageakteure in Österreich. Russland würde auch die österreichischen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden ausspähen, wobei auch auf die Anwerbung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesetzt werde.

Das Mitrochin-Archiv

Spionieren für Russland hat in Österreich eine gewisse Tradition. Viele Details über langjährige Aktivitäten des sowjetischen Geheimdienstes KGB wurden erst in den 1990er-Jahren bekannt. Hauptverantwortlich dafür ist das Mitrochin-Archiv, benannt nach Wassili Mitrochin, einem Archivar des KGB, der 1992 dem britischen Geheimdienst einen Schatz übergab. Jahrzehntelang hatte er KGB-Protokolle handschriftlich kopiert und dann in den Westen geschmuggelt.

In den Unterlagen finden sich zahlreiche Hinweise auf Österreich. Vor allem im Polizeiapparat sei es dem KGB nicht nur in den zehn Jahren der Besatzungszeit, sondern bis in die 80er-Jahre gelungen, Spione und Informanten zu platzieren. Einer der aufgelisteten Decknamen lautet ZAK. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelte es sich um Gustav Hohenbichler, den Vizechef der Wiener Staatspolizei, der Vorläuferbehörde des Verfassungsschutzes (BVT). Hohenbichler soll 1978 vom russischen Geheimdienst angeworben worden sein. Er verstarb, bevor der Spionageverdacht geklärt werden konnte.

Waffenverstecke in Österreich

Der KGB-Archivar verriet auch Waffen- und Munitionsverstecke, die die Sowjets noch vor 1955 in Österreich hatten anlegen lassen. Unter anderem waren in Mayerling, Mollram, Weinersdorf, Heiligenkreuz und sogar im Stift Göttweig Schusswaffen, in der Mehrzahl Walther-Pistolen, für die kommunistische Résistance versteckt. In Moskau wurden penible Angaben zu den Verstecken gemacht, darin hieß es beispielsweise: "In einem Mauerspalt, 1,5 Meter links von der alten Kiefer."

Jahre später, etwa zur Zeit des Prager Frühlings, stellte der KGB bei der Inspektion der Waffenverstecke fest, dass die Kisten verrottet und Munition abhandengekommen waren. Die meisten Pistolen waren aber intakt. Was damit geschah, ist nicht überliefert. (Michael Simoner, 4.4.2024)

Hinweis: Dieser Artikel wurde am 5.4.2024, 10 Uhr 45, mit der Anzahl von Verurteilungen seit 2020 ergänzt.