Hinterhäuser
Markus Hinterhäuser, Intendant der Salzburger Festspiele.
AP/Franz Neumayr

Es ist eine scheinbar unspektakuläre Entscheidung. Sie eröffnet allerdings Chancen ebenso, wie sie zugleich Befürchtungen der Stagnation auf hohem Niveau aufkommen lässt. Markus Hinterhäuser um weitere fünf Jahre als Intendanten verlängern? Es bedeutet, man setzt auf Qualität sichernde Kontinuität, um mit reichlich Erfahrung die nahenden Veränderungen der Rahmenbedingungen bewältigen zu können. Das große Festspielhaus soll ja saniert werden. Es gilt folglich, alternative Räume zu finden, um das Programm auf dem geforderten Niveau zu halten.

Paradoxerweise könnte gerade diese herausfordernde Situation ein paar frische Impulse freisetzen. Wäre nötig. Zuletzt drängte sich in Salzburg nämlich der Eindruck auf, es würden im Opern- und Konzertbereich auch Routine und Nostalgie einen wichtigen Platz besetzen. Die Rückholung von Martin Kušej für Figaro und Christoph Marthaler für Falstaff, von Regisseuren also, die zu Zeiten früherer Intendanten (Gerard Mortier und Peter Ruzicka) Erfolge feierten, ging dann auch nicht wirklich auf.

Die Gefahr besteht

Und selbst die glanzvolle Arbeit eines Krzysztof Warlikowski bei Macbeth und eines Simon Stone bei Griechische Passion wirkte im Festspielsommer 2023 als Hinterhäusers Versuch, frühere Erfolge der eigenen Ära zu prolongieren. Einerseits zwar verständlich: Maßstabsetzend waren ja auch Warlikowskis Elektra-Inszenierung und Simon Stones King Lear in der Anfangsphase seiner Intendanz.

Andererseits verwandeln sich – wie bei jeder lang andauernden Amtsperiode – die erfolgbringenden konzeptuellen Eckpfeiler mit der Zeit gern in Symptome einer überraschungsfreien Selbstgemütlichkeit. Die Gefahr zeigte sich und besteht auch in Zukunft.

Hinterhäuser ist natürlich zuzutrauen, Überraschungen zu liefern. Er ist nicht nur musikinhaltlich über alle Zweifel erhaben. Er kennt das Salzburger Pflaster sehr gut. Ab 1993 hatte er mit Tomas Zierhofer-Kin die von Intendant Gerard Mortier schlau ins Festival integrierte Zeitfluss-Schiene erfunden, die Salzburgs Erneuerung in der Nach-Karajan-Ära befeuerte.

Eine sehr lange Phase

Später war er Konzertchef der Salzburger Festspiele und nach dem vorzeitigen Abgang von Intendant Jürgen Flimm für ein Jahr sogar "Einspringerintendant". Keiner ist mit den Gegebenheiten vor Ort besser vertraut. Doch Hinterhäuser, der seit Oktober 2016 künstlerischer Leiter der Festspiele ist, wird bei voller Vertragserfüllung 2031 15 Jahre Intendant gewesen sein. Damit wird er als der längstdienende Verantwortliche – nach Karajan – in die Festspielgeschichte eingehen.

Man wird insofern sehen, ob die Erfahrung Ideen erdrückt oder neue freisetzt. Die Treue zu einer ästhetischen Kontinuität sollte jedenfalls nicht übertrieben werden – zumal nicht beim Dirigenten Teodor Currentzis. Wegen seiner Russland-Nähe und seiner dortigen Arbeit mit dem MusicaAeterna-Ensemble steckt er schweigsam seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine in der ethischen Zwickmühle. Die Vorzüge des westlichen und des repressiven russischen Systems gleichzeitig zu genießen wirkt mittlerweile immer fragwürdiger. Dazu wird die kommende Festspielrednerin Nina Chruschtschowa womöglich deutliche Worte finden.

Probleme mit der Präsidentin

Was abseits toller Programme zusehends skeptisch stimmte, war zuletzt eine gewisse Dünnhäutigkeit des Intendanten, den die frühere Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler bei kniffligen Stationen stets aus der Schusslinie nahm. Kristina Hammer erfüllt diese Rolle offenbar nicht. Hinterhäuser begegnete ihr bisher mit kaum verdeckter Aversion, was unprofessionell wirkt. Sollte aufhören.

Auch die skurril-überfallsartige Absetzung des Jedermann von Michael Sturminger war kein Ruhmesblatt souveränen Managements. Die Verärgerung des Regisseurs und seines Teams machte peinliche Schlagzeilen.

Andererseits setzte Hinterhäuser mit seinem Team in der schwierigen Corona-Zeit europaweit Maßstäbe, indem er die Festspiele nicht ausfallen ließ, vielmehr unter schwierigen Bedingungen das Niveau hielt. Diese Beharrlichkeit in der Originalität und Professionalität wünscht man sich für die Zukunft. Die Chance gibt es durchaus. (Ljubiša Tošić, 5.4.2024)