Polizisten und Streifenwagen auf einer abgesperrten Straße in einem Wohngebiet.
Der Tatort des Frauenmordes in Strasshof, wo eine 33-Jährige vor dem Haus ihrer Eltern von ihrem Ex-Partner erschossen wurde.
APA / FLORIAN WIESER

Korneuburg – Rainer Klebermaß, Beisitzer im Mordprozess gegen den 35-jährigen Herrn B., ist offenbar ein Freund der präzisen Kommunikation. "Das glaub ich nicht. Unfug!", erklärt Klebermaß, nachdem der unbescholtene Angeklagte eine gute Stunde lang die Geduld der Anwesenden strapaziert hat. Entgegen der Ankündigung seiner Verteidigerin Astrid Wagner bekannte er sich zunächst nämlich eigentlich nicht schuldig zum Vorwurf, er habe am 21. Oktober in Strasshof (Bez. Gänserndorf) seine Ex-Partnerin mit einem Kopfschuss aus nächster Nähe vorsätzlich getötet. "Ich wollte sie nicht töten. Ich wollte sie nur verletzen", beteuert der Angeklagte mehrmals. Er will auch nur zufällig vor dem Elternhaus der Frau gewesen sein, behauptet er. Dass er einen Tag zuvor nach Wien gefahren ist, um am Praterstern von einem Afghanen um 700 Euro eine FEG Browning und sechs Patronen des Kalibers neun Millimeter zu kaufen, habe auch nichts mit der Tötung der Mutter von vier seiner fünf Kinder zu tun.

Aber der Reihe nach: Staatsanwältin Gudrun Bischof wirft dem Arbeitslosen mehrere Delikte vor. Am 15. August soll er seine Frau geschlagen und mit dem Tod bedroht haben, was B. leugnet. Zwei Wochen später zog seine Lebensgefährtin mit den Kindern aus dem gemeinsamen Haus aus und flüchtete zu ihren Eltern. Im September zeigte sie ihn schließlich an und erwirkte eine einstweilige Verfügung: Ein Jahr lang durfte der Angeklagte sich ihr und den Kindern auf maximal 100 Meter nähern. Sie hatte bereits eine neue Wohnung gefunden, am 21. Oktober war sie dann tot.

"Weiß nicht, was mit mir passiert ist"

Vorsitzende Lydia Rada bemüht sich redlich, ein Motiv und ein Geständnis zu bekommen, scheitert aber an den ausweichenden Antworten des Angeklagten. Er sei am Tattag nur zufällig in der Gegend gewesen und habe in einem Autohaus gegenüber dem Tatort das WC besucht. Als er danach eine Zigarette rauchte, sei die Mutter seiner Ex-Partnerin vorbeigefahren. Mit ihr im Auto: die Ex-Partnerin, die gemeinsame neunjährige Tochter sowie Nichte und Neffe der Frau. "Als ich sie dann gesehen habe – ich weiß nicht, was mit mir passiert ist", ist das Konkreteste, was aus B. herauszuholen ist. Er holte die Schusswaffe aus seinem Auto, ging über die Straße, näherte sich wortlos der 33-Jährigen, die der in Bosnien geborene Schwede im Jahr 2008, bald nach seiner Ankunft in Österreich, kennengelernt hatte, und schoss ihr aus deutlich weniger als einem halben Meter in die linke Schläfe.

Dass seine Tochter in der Nähe stand, will er nicht bemerkt haben, auch die anderen beiden Kinder habe er nicht registriert. Anschließend fuhr er zur Polizeiinspektion Deutsch-Wagram und stellte sich den Beamten mit den Worten: "Ich habe einen Mord begangen." Eingesteckt hatte er einen älteren Liebesbrief seiner Gattin, die sich in den acht Monaten vor der Tat bereits viermal von ihm getrennt hatte, aber jedes Mal nach einigen Wochen zurückgekehrt war. "Du bist mein Leben und mein Weg", hatte die Frau geschrieben, und: "Ich habe gemerkt, dass ich Dir nicht lange böse sein kann."

"Hören Sie auf, die Tat so zu schildern, als sei das ein bedauerlicher Unfall gewesen!", zürnt Beisitzer Klebermaß an einem Punkt. Will der Angeklagte die Geschworenen doch davon überzeugen, er habe dem Opfer eigentlich in den Rücken schießen wollen. Der 35-Jährige bleibt zur milden Verzweiflung seiner Verteidigerin bei seiner Version. Erst Privatbeteiligtenvertreter Peter Philipp, der für die Halbwaisen hier ist, kann zeigen, dass alte weiße Männer durchaus ihre Berechtigung haben. In gewohnt jovialem Umgangston fragt er den Angeklagten nämlich: "Was haben Sie sich beim Abdrücken gedacht? Dass Sie die Frau verletzten, haben Sie gar nichts gedacht – oder dass Sie sie erschießen werden?" – "Dass ich Sie erschieße", gesteht B. plötzlich doch zu. "Warum reden S' daun a Stund herum?", fragt Philipp und fordert pro Kind 5.000 Euro Trauerschmerzensgeld, das der Angeklagte anerkennt.

Polizeischutz für Angeklagten

Als die Mutter der Getöteten als Zeugin aussagt, dreht der von zahlreichen Kräften der Justizwache und Polizei geschützte Angeklagte den Kopf konsequent von ihr weg. Als das Video der kontradiktorischen Einvernahme der Neunjährigen, die den Mord an der Mutter miterleben musste, vorgeführt wird, starrt B. nur auf den Boden. "Er hat kaltblütig abgedrückt!", stellt Anklägerin Bischof in ihren Schlussworten klar. "Es gibt in diesem Fall für mich nur eine einzige Strafe: die volle Härte des Gesetzes!", fordert Philipp eine lebenslange Haftstrafe. Verteidigerin Wagner sieht dagegen keinen Grund für die Höchststrafe und verweist auf die Unbescholtenheit und darauf, dass ihr Mandant sich selbst gestellt habe.

Die Laienrichterinnen und -richter sehen das nach ungewöhnlich kurzer Beratung nicht so. Sie verurteilen B. einstimmig in allen Anklagepunkten, das Gericht entscheidet sich nicht rechtskräftig für lebenslange Haft. Es sei "ein Mord, fast eine Hinrichtung" gewesen, begründet Vorsitzende Rada die Strafhöhe. "Sie haben sie schuldig gemacht dafür, dass sie Ihnen die Kinder weggenommen hat", zeigt sich Rada überzeugt. (Michael Möseneder, 5.4.2024)