George Petean als Simon Boccanegra.
George Petean als Simon Boccanegra.
Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Mutig wie ein Löwe, imposant wie ein Bär, weise wie eine Eule und dazu selbstlos wie ein christlicher Heiliger: Die Politik ist arm an solchen Lichtgestalten – und hätte sie im Superwahljahr 2024 doch bitter nötig. Immerhin: Ein Exemplar dieser Gattung ist derzeit an der Wiener Ringstraße zu bewundern. Allerdings nicht im Parlament, sondern an der Staatsoper: Simon Boccanegra, der beste aller möglichen Herrscher, eint auf der Bühne wieder ein tief gespaltenes Genua und trotzt drei Verdi-Opernstunden lang Kabalen und Degenhieben – bevor ihn schließlich doch noch ein Vergiftungstod ereilt.

George Petean statt Plácido Domingo

Statt Plácido Domingo, in den Vorjahren gewissermaßen der Simon vom Dienst, gibt nun der vergleichsweise juvenile George Petean den Ton an. Eine kluge Dogenwahl: Der geräumige Bariton des Rumänen lässt das Bild eines Kraftmenschen entstehen, in dem gleichwohl eine sensible Seele haust. Und Freddie De Tommaso, der zweite prominente Neuzugang im Wiener Boccanegra-Team? Begeistert als Inbrunst-Tenor reinsten Wassers. Zwar könnte er hie und da mehr Zartgefühl vermitteln. Seine druckvollen, metallischen Melodiebögen verleihen dem Gabriele Adorno dafür ein Höchstmaß an Entschlossenheit.

Kraft und Prägnanz sind auch Qualitäten von Federica Lombardi: Ihre Amelia umschmeichelt die Genueser Männerwelt nicht wie ein sittsames Frauchen, sondern artikuliert ihre Befindlichkeiten selbstbewusst. Nicht zu vergessen: Kwangchul Youn als Düsterling Fiesco mit entsprechendem Bass und Clemens Unterreiner als dynamischer Bosnigl Paolo. Nach Boccanegras Gifttod einhelliger Schlussapplaus, auch für Dirigent Marco Armiliato und seinen gewohnt süffigen Sound. (Christoph Irrgeher, 8.4.2024)