Jan Marsalek, BVT, Egisto Ott, FSB
Die Spionageaffäre um Egisto Ott und den ehemaligen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek ist nicht nur ein FPÖ-Problem.
Collage: derStandard/Friesenbichler Fotos: ZackZack/Youtube, der Spiegel, Cremer, Imago, AdobeStock

Wer wissen will, wie die Kanzlerpartei ÖVP mit dem schon jetzt größten Spionagefall der Zweiten Republik umgeht, muss die Auftritte von Christian Stocker (Generalsekretär) und Gerhard Karner (Innenminister) am Dienstag im ORF-"Report" und in der "ZiB 2" ansehen. Die beiden legten quasi ein Pas de deux in der Neigungsgruppe "Wie putze ich mich am besten ab?" hin.

Was beiden offenbar nicht bewusst war – oder was sie, schlimmer, bewusst in Kauf nahmen: Diese Manöver waren total durchschaubar. Die ÖVP versucht hier dringend, 18 Monate Innenminister Herbert Kickl gegenüber zwei Jahrzehnten ÖVP-Minister aufzuwiegen. Der wahlkampfgerechte Tenor: Kickl ist an allem schuld, die ÖVP kommt hier unschuldig zum Handkuss und hat eh alles getan, um die üblen Machenschaften des Egisto Ott zu beenden.

Nicht nur die FPÖ

Nun trifft es mit der FPÖ nicht die Falschen. Sie hat die österreichische Anbiederung an Putins Russland, an der sich auch andere Parteien beteiligten, auf die Spitze getrieben. Sie hat einen Freundschaftsvertrag mit der Putin-Partei geschlossen, Teile ihres Spitzenpersonals waren besonders anschmiegsam. Kickl selbst hat mit der Zerschlagung des BVT die Abwehrfähigkeit Österreichs massiv gefährdet.

Aber: Es ist nicht die ganze Wahrheit. Es war die ÖVP, die Kickl unter Sebastian Kurz' Kanzlerschaft zum Innenminister machte. Es war auch die ÖVP, die Mario Kunasek zum Verteidigungsminister machte – und damit zuließ, dass alle drei Nachrichtendienste Österreichs in FPÖ-Hände gerieten. Das war, sehr vorsichtig formuliert, maximal unvorsichtig. Umso mehr, als man bereits vor Regierungsantritt wusste, dass Kickl im Oktober 2016 vor dem rechtsextremen Kongress "Verteidiger Europas" als Gastredner aufgetreten war. Allein das hätte Kurz und seinem Team ausreichen müssen, um Kickl in der heiklen Position des Innenministers abzulehnen. Taten sie nicht, im Gegenteil: Ein ÖVP-Generalsekretär namens Karl Nehammer verlautete damals anlässlich der BVT-Affäre, Kickls Vorgehen sei mit der ÖVP abgestimmt gewesen.

ÖVP muss aufarbeiten

Dazu kommt noch: Laut Ermittlungsakten begann Ott seine staatsfeindlichen Umtriebe bereits 2015, 2016. Damals war der jetzige Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) der Innenminister. Ott war damals bereits im Visier, er wurde auch suspendiert. Doch nach Aufhebung seiner Suspendierung durch das Bundesverwaltungsgericht geschah – nichts. Der Mann bekam eine andere Funktion, direkt im Innenministerium. Kontrolliert oder gar überwacht wurde er nicht – sonst hätte er nicht jahrelang munter weiter Geheimnisse an Russland verkaufen können.

Zumindest an diesem Punkt müsste die ÖVP damit beginnen, Verantwortung zu übernehmen und sich dem Offensichtlichen zu stellen: Hier ist etwas, unter einem ÖVP-Minister, grob falsch gelaufen. Zwar hatte man einem Mitarbeiter so sehr misstraut, dass man ihn suspendiert hatte. Doch dann wurde man ihn nicht los, und deshalb ließ man die Dinge laufen – logisch ist das nicht.

Das Argument Karners, hier hätten die Ermittlungsbehörden eben erst akribisch recherchieren müssen, ist nicht überzeugend. Will man von befreundeten internationalen Geheimdiensten ernst genommen werden, dürfen solche Recherchen nicht jahrelang dauern. Das führt, zu Recht, zu einem Vertrauensverlust.

Die Kanzlerpartei ÖVP wäre gut beraten, ihren Kurs radikal zu ändern. Österreichs Spionageabwehr kann auch in Zukunft nur funktionieren, wenn die Schwachstellen benannt und behoben werden. Mit einer "Haltet den Dieb"-Strategie wird das nicht gelingen. (Petra Stuiber, 11.4.2024)