Die Wiener Linien, Busunternehmer wie Dr. Richard, Taxiunternehmer – sie alle können den CO2-Fußabdruck ihrer Transportdienstleistungen publizieren. Freiwillig. Hat der Verkehrsdienstleister oder der Taxiunternehmer E-Busse oder E-Autos im Einsatz, ist das für die Klimabilanz gut. E-Autos stoßen im Betrieb null Emissionen aus. Egal ob der Strom, mit dem sie betrieben werden, aus Erneuerbaren, Kohle oder anderen fossilen Quellen kommt: Der CO2-Gehalt des verwendeten Stroms wird nicht einkalkuliert. Das soll sich künftig ändern.

Ein Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass E-Autos nicht automatisch zu klimaneutralen Fahrzeugen erklärt werden. Im EU-Parlament stößt dies weitgehend auf Zustimmung. Rat und Parlament sind sich weitgehend einig, ist zu hören. Künftig sollen demnach alle Treibhausgasemissionen bei Transportdienstleistungen – bei fossilen Fahrzeugen vom Bohrloch bis zum Auspuff, bei E-Autos vom Windrad bis zur Straße – eingerechnet werden. Es betrifft Güter- wie Personenverkehr. Der Stromverbrauch bei Rolltreppen auf Bahnhöfen gehört ebenso dazu wie jener des Aufzugs, der zur U-Bahn führt. Die Methode, die als Count Emissions EU bezeichnet wird, ist komplex und auf 200 Seiten umrissen. Wer seinen CO2-Fußabdruck angeben will, muss sich an diese halten.

Eine Frau an einer Ladestation. 
Der Strom kommt aus der Ladestation. Wie sauber er ist, hängt davon ab, wie er erzeugt wird. In Österreich ist der Anteil der Erneuerbaren hoch, der Betrieb eines E-Autos vergleichsweise sauber.
IMAGO/Jose Carlos Ichiro

"Wir kommen der Wahrheit ein Stück weit näher, allerdings fehlt immer noch die Produktion und das Recycling des jeweiligen Fahrzeuges in der Bilanz", urteilt Barbara Thaler, Verhandlungsführerin des Europaparlaments für das Gesetz und stellvertretende Verkehrssprecherin der EVP im Europaparlament. Geht es derzeit nur um die Nutzung der Fahrzeuge (Well to Wheel), sollen künftig auch die THG-Emissionen bei der Herstellung, Wartung und Entsorgung von Fahrzeugen eingerechnet werden (Lebenszyklusemissionen). Kurzfristig betrifft das nur die Transportdienstleister, langfristig dürften die Folgen weitreichender sein.

Emissionen sind die wichtigste Kennzahl der grünen Wende. Da gibt es auch bei der E-Mobilität viele Fragezeichen. Batterieproduktion in China unter Einsatz von Kohle, Stromproduktion, die nicht ohne Gaskraftwerke auskommt – ein E-Auto verursacht heute grob geschätzt ein Drittel weniger CO2 als ein Verbrenner, richtig CO2-neutral ist es aber nicht, obwohl es Zero Emission Vehicle (ZEV) heißt. Es geht um gefahrene Kilometer und darum, wann ein Fahrzeug produziert wurde, wie groß ist es, wie sich der Strommix ändert. All das hat Auswirkungen auf die Ökobilanz.

Auch im Betrieb sind E-Autos nur so sauber wie der Strom, der sie antreibt. Zwar wird von ZEV auf der Straße kein klimaschädliches Kohlendioxid ausgestoßen, doch nur wenn E-Fahrzeuge ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen fahren, kommt ihre Energiebilanz ohne CO2 aus.

Importstrom trübt Energiebilanz

In Österreich mit seinem hohen Anteil an Wasserkraft trübt etwa der importierte sogenannte Graustrom die Energiebilanz. Kein Auto, kein Bus, ob Verbrenner oder batteriebetrieben, ist deshalb emissionsfrei unterwegs. In der offiziellen Statistik wird nur beim E-Auto mit null Gramm CO2 kalkuliert. Nun soll ein einheitliches System etabliert und damit eine bessere Vergleichbarkeit erzielt werden. Es ist nur der erste Schritt.

Wichtig sind CO2-Grenzwerte unter anderem für die Autohersteller. Nur wenn sie ausreichend emissionsfreie Fahrzeuge anbieten, können sie die von der EU vorgegebenen Flottenziele erfüllten und Milliardenstrafzahlungen vermeiden. 2025 steht eine Revision der Flottenziele an. Ab 2035 müssen bekanntlich alle in Europa neu zugelassenen Pkws emissionsfrei sein, bis 2050 alle Fahrzeuge. Die neue Flottengrenzwertregulierung soll bis Herbst 2024 abgeschlossen sein. Seit Monaten wird heftig darüber diskutiert, wie Ausnahmen für synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) integriert werden sollen. Deutschlands Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat sich dafür starkgemacht, Österreichs Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) sprang dankbar auf den Zug auf. Hierzulande und auf EU-Ebene sind es vor allem die Konservativen und die Freiheitlichen, die sich für den Verbrenner einsetzen.

Menschen fahren mit einer Rolltreppe an einem Bahnhof nach oben. 
Wer mit sauberer Mobilität werben will, muss künftig auch den Strom in Rechnung nehmen, mit dem etwa die Rolltreppe betrieben wird.
IMAGO/Benjamin Gilbert

Hier kommt wieder die neue Verordnung ins Spiel, die ab Herbst im Trilog von EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Rat verhandelt wird: Alle Unternehmen in Europa, die den CO2-Fußabdruck von Transportdienstleistungen über die Schiene, auf der Straße oder in der Luft anführen, fallen in den Geltungsbereich der Regeln. Was in der Verordnung zunächst freiwillig ist – der Entwurf verpflichtet Verkehrsunternehmen nicht, ihre Treibhausgasemissionen zu berechnen und auszuweisen, aber wenn sie dies zu Berichts- oder Marketingzwecken tun, müssen sie der Methodik folgen –, könnte künftig auch für die Flottenziele gelten. Es ist Zukunftsmusik: Aber ein E-Auto wäre dann kein Nullemissionsauto mehr.

Komplexe Rechnung

Bernhard Geringer, Professor für Automobiltechnik an der TU Wien, verweist auf die Komplexität in Sachen Ökobilanz der E-Autos. Diese starten bekanntlich mit einem hohen CO2-Rucksack – denn vor allem die Batterieproduktion ist ressourcen- und energieverschlingend. Der Umstand, dass die EU den CO2-Ausstoß eines E-Autos im Grunde genommen mit null Gramm bemisst, obwohl gut ein Drittel des Stroms in der EU mit Gas, Kohle und Öl erzeugt wird, ist auch ihm ein Dorn im Auge. "Nur schön reden hilft nichts", sagt Geringer. So manches E-Auto sei, was die CO2-Emissionen betrifft, auf dem Niveau von guten Dieselautos. Sektorkoppelung, eine neue Batterie-Gigafabrik in Deutschland, Fortschritte bei den Batterien an sich, derzeit seien viele Bälle in der Luft, sagt Geringer. Vor der EU-Wahl werde nicht mehr viel passieren. Aber wenn das kommt, "hat es sicher Auswirkungen" – unter anderem auf die Besteuerung.

Aufgebauscht, übertrieben hochgespielt: Der deutsche Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer sieht eine politisch motivierte breite Front gegen E-Autos. Mittlerweile habe sich in Europa bei der Politik vor der Europawahl eine Bewegung entwickelt, "die Wählerstimmen mit dem Argument sammelt, wir müssen den Verbrennungsmotor retten, um gegen die Chinesen zu bestehen". Ausgehend von der Kommission mit der Androhung der Strafzölle, dann mit der Ankündigung von Präsidentin Ursula von der Leyen, das Verbrennerverbot nochmals zu prüfen, dann mit der EU-Statistik, dass Elektroautos mehr THG-Emissionen als Diesel und Benziner verursachen – Dudenhöffer sucht seine These zu stützen: Man sammle Wählerstimmen, "indem man sich mit schrägen Argumenten für die Rettung des Verbrenners einsetzt und damit eine Stimmung bei den Autokäufern erzeugt, 'lasst die Finger vom Elektroauto'". Mit all dem werde wohl "der politisch verordnete Tod des E-Autos eingeleitet". (Regina Bruckner, 10.4.2024)