Mit bis zu 60 Megapixeln Auflösung und bis zu 8K im Videobereich tritt die neue spiegellose Vollformat-Systemkamera des deutschen Herstellers Leica, die Leica SL3, gegen die internationale Konkurrenz an. Zu einem Preis von 6.800 Euro (ohne Objektiv) bietet die SL3 viel Gestaltungsspielraum, beeindruckt auf technischer Ebene und sieht dabei auch noch gut aus. DER STANDARD hat die Kamera für einen kurzen Zeitraum getestet.

Schick, robust und praktischer als die SL2

Leica brüstet sich gerne damit, dass die Kameras im deutschen Wetzlar handgefertigt werden. Und während über Geschmack bekanntermaßen immer gut gestritten werden kann, so heben sich diese Geräte mit ihrem klassischen Design doch stark von der internationalen Konkurrenz ab, auch wenn die Fotoapparate der SL-Reihe deutlich klobiger sind als zum Beispiel jene der M-Serie. Betont wird aber auch, dass die SL3 mit ihrem Gehäuse aus Magnesium und Aluminium mit Kunstlederbezug nach IP54 vor Nässe – genau genommen: Spritzwasser – und Staub geschützt ist.

Gegenüber dem Vorgänger, der Leica SL2, sind schon in den Äußerlichkeiten diverse Verbesserungen zu erkennen. So sind die beschrifteten Tasten – "Play", "Fn" und "Menu" – von der linken auf die rechte Seite gewandert. Das stellte sich im Test als äußerst praktisch heraus, denn so ließ sich die Kamera oft auch einhändig bedienen. Weiters ist links ein neues Drehrad hinzugekommen.

Leica SL3
Die Leica SL3 wirkt nicht ganz so zeitlos wie andere Modelle des deutschen Herstellers, hebt sich aber dennoch klar von der internationalen Konkurrenz ab.
STANDARD/Stefan Mey

Der On/Off-Kippschalter wurde durch einen Button ersetzt, über den die Kamera auf Wunsch auch in einen Stand-by-Modus versetzt wird. In diesem verbraucht die Leica SL3 kaum Strom und lässt sich durch ein Antippen des Auslösers rasch wieder aus dem Schlaf wecken. Auch dies hatte im Test einen Praxisnutzen, konnte somit doch rasch auf Situationen reagiert werden.

Mit Abmaßen von 141,2 x 108 x 84,6 mm und einem Gewicht von circa 769 Gramm (ohne Akku, SD-Karte, Kamera-Bajonettdeckel) ist die SL3 außerdem schmäler und leichter als die Vorgängerin: Diese kam auf Abmaße von 146 x 107 x 83 mm und wog 840 Gramm (ohne Akku). Das L-Mount-Objektivsystem der SL-3 ermöglicht das Nutzen von Leicas Objektiven und jenen der Partnerunternehmen.

Freie Buttonwahl

Was bei der Leica SL3 designtechnisch im Vergleich zur internationalen Konkurrenz gleich auffällt: Abgesehen von den zuvor erwähnten drei Buttons rechts vom LC-Display sind jegliche Knöpfe und Räder unbeschriftet, auch das handelsübliche PASM-Rad sucht man vergebens: Stattdessen drückt man auf das rechte Daumenrad, um zwischen den vier Modi zu wechseln, der aktuelle Modus wird auf einem monochromen Display angezeigt. Auf diesem sind außerdem die relevanten Einstellungen zu Blende, ISO, Verschlusszeit und Lichtwert sowie der Akkustand stets auf einen Blick sichtbar.

Leica SL3
Das monochrome Display liefert die wichtigsten Informationen. Die frei belegbaren, unbeschrifteten Tasten lassen viel Raum für flexible Anpassung an die eigenen Bedürfnisse.
STANDARD/Stefan Mey

Moment einmal: nur vier Modi? Ja, richtig gelesen. Denn zwar gibt es sehr wohl einen Autofokus, Auto-ISO und Auto-Weißabgleich, die bei der Konkurrenz auch im Profibereich noch angebotene "intelligente Automatik" gibt es aber nicht. Wer mit einer SL3 fotografiert, der nimmt die Einstellungen für Blende, ISO und Verschlusszeit somit auf jeden Fall selbst vor und kommt gar nicht erst in die Versuchung, eine Automatik zu nutzen, die oft gar nicht so intelligent ist, wie ihr Name suggeriert. Standardmäßig können Verschlusszeit und Blende mit den beiden Rädern rechts eingestellt werden, die ISO-Werte werden mit dem linken Rad eingestellt.

Weiters unbeschriftet sind die insgesamt fünf Funktionstasten, die durch längeres Drücken je nach persönlichen Vorlieben mit entsprechenden Funktionen belegt werden können, wie etwa der Wechsel zwischen Foto- und Videomodus oder zwischen automatischem und manuellem Fokus. Andere gängige Einstellungen lassen sich aufrufen, indem über das Drücken der Menütaste das Schnellmenü aufgerufen wird, ein weiteres Drücken der Taste öffnet das Hauptmenü. In Summe nicht nur eine äußerst übersichtliche Lösung, sondern vor allem eine, die das Anpassen an die eigenen Bedürfnisse erlaubt.

Touchscreen, Anschlüsse, Leica-App

Die Leica SL-3 verfügt über einen Sucher ebenso wie über ein Touchscreen-LC-Display. Der Sucher bietet eine Auflösung von 5,76 Millionen Pixeln bei bis zu 120 Bildern pro Sekunde. Das Touch-LC-Display im 3:2-Format kommt auf rund 2,3 Millionen Pixel Auflösung. Es ist neig-, aber leider nicht schwenkbar, und auch beim Neigen müssen Abstriche gemacht werden: Wird der Bildschirm nach unten gekippt, so liegt der Winkel unter 90 Grad. Vor allem für Anwendungsbereiche wie etwa die Event- und Konzertfotografie bieten andere neig- oder gar schwenkbare Kameradisplays hier deutlich mehr Flexibilität.

Leica SL3
Das LC-Display ist leider nur kipp- und nicht schwenkbar.
STANDARD/Stefan Mey

Die SL3 verfügt über zwei Slots für Speicherkarten: einen für eine UHS-II-SD-Karte, einen für eine CFexpress-Typ-B-Karte. Auf der anderen Seite finden sich ein HDMI-2.1-Typ-A-Ausgang, jeweils eine 3,5-mm-Klinke-Stereo-Buchse für Mikrofon und Kopfhörer sowie ein USB-C-Anschluss.

Außerdem ist es möglich, die Kamera via WLAN mit der Leica-App zu verbinden, die für iOS und Android verfügbar ist. Mit dieser lassen sich rund 100 KB große Vorschaubilder zum schnellen Verschicken an Freunde und Kunden ebenso wie die vollwertigen Fotos im DNG-Format von der Kamera auf das Smartphone übertragen. Auch die Fernsteuerung der Kamera ist möglich, diverse Foto- und Videoeinstellungen lassen sich auf dem Smartphone vornehmen sowie per Touchscreen fokussieren. Ebenso wird das Aktivieren von GPS-Daten sowie das Übertragen von Firmware-Updates über die App gehandhabt.

Fotoauflösung: Bis zu 60 Megapixel

Die Leica SL-3 kann Fotos im Jpeg- ebenso wie im verlustfreien DNG-Format abspeichern. Drei unterschiedliche Auflösungen können gewählt werden, von 18,5 Megapixel (MP) über 36,4 MP bis zu 60,3 Megapixel. Das hat unter anderem auch Auswirkungen auf die Dateigröße: In der geringsten Auflösung sind die DNG-Dateien jeweils rund 20 Megabyte groß, in der höchsten Auflösung fressen sie jeweils rund 70 Megabyte Speicherplatz. Für mehr Gestaltungsspielraum beim Cropping kann zudem zwischen einem 35-mm- und einem APS-C-Sensorformat gewählt werden: Im APS-C-Modus liegt die Auflösung dann wahlweise bei acht, 15,8 oder 26,1 Megapixeln.

Leica SL3
Die beschrifteten Tasten sind von links nach rechts gewandert, links ist ein weiteres Drehrad hinzugekommen.
STANDARD/Stefan Mey

Der mechanische Verschluss erlaubt Verschlusszeiten von 60 Minuten für Langzeitbelichtungen bis 1/8.000 Sekunden, die elektronische Verschlussfunktion ermöglicht 60 Sekunden bis 1/16.000-Sekunde. Vom STANDARD nicht getestet: Die Blitz-Synchronisation geht laut Hersteller auf bis 1/200 s.

In der Serienbildaufnahme sind mit mechanischem oder elektronischem Verschluss in Kombination mit Autofokus bis zu fünf Bilder pro Sekunde möglich, ohne Autofokus schafft der mechanische Verschluss noch bis zu sieben Bilder pro Sekunde, der elektronische Verschluss kommt ohne Autofokus auf bis zu 15 Bilder pro Sekunde. Das ist im Vergleich zur Konkurrenz kein Benchmark – Sonys Alpha 9 III mit Global Shutter schafft bis zu 120 Bilder pro Sekunde –, kann je nach Dynamik der Situation aber locker ausreichen.

Video: 8K mit 30 Bildern pro Sekunde

Im Videobereich schafft die Leica SL-3 bis zu 8K Auflösung (7.680 x 4.320 im 16:9-Format) bzw. das 17:9-Format namens C8K mit 8.192 x 4.320 Pixeln. In den Testvideos ist die Bildqualität überzeugend: Farben werden natürlich dargestellt, Artefakte oder Verzerrungen sind nicht zu erkennen, jegliche Details sind klar erkennbar.

Einen Abstrich gibt es dafür aber: Im 8K- und im C8K-Bereich ist die Bildfolgerate mit 30 Bildern pro Sekunde begrenzt. Wer hier mehr möchte, der muss entsprechend Abstriche bei der Auflösung machen – bis zu 60 Bilder pro Sekunde sind in 4K möglich, in Full-HD sind es bis zu 120 Bilder pro Sekunde.

ISO bis zu 100.000

Die ISO-Empfindlichkeit der Leica SL-3 reicht von 50 bis 100.000, was einen großen Spielraum zum Fotografieren in verschiedenen Lichtverhältnissen bietet. Im Test wurde ein Motiv bei nahezu kompletter Dunkelheit fotografiert. Bei ISO 1.000 war dieses bereits gut zu erkennen, während sich das ISO-Rauschen noch in Grenzen hielt, spätestens mit ISO 50.000 ist das Rauschen jedoch nicht zu übersehen.

Hulk
Aufnahme bei fast vollkommener Dunkelheit mit ISO 1.000.
STANDARD/Stefan Mey
Hulk
Das gleiche Motiv, aufgenommen mit ISO 50.000.
STANDARD/Stefan Mey

Wohlgemerkt: Hierbei handelt es sich um ein recht lebensfernes Beispiel, um die Grenzen der Kamera bei extrem widrigen Lichtverhältnissen zu demonstrieren. In einer Tageslichtsituation wurde hingegen die ISO-Empflindlichkeit auf 100.000 gestellt, um einen kleinen Wasserfall mit Blende F/10 und einer Belichtungszeit von 1/16.000 Sekunde zu fotografieren. Hier ist das ISO-Rauschen erst bei näherem Heranzoomen erkennbar.

Wasserfall
Ein kleiner Wasserfall, aufgenommen mit ISO 100.000.
STANDARD/Stefan Mey

Autofokus: Gut, aber nicht perfekt

Das Autofokus-System der Leica SL3 setzt auf eine Kombination aus Phasendetektion, Tiefenkarte und Kontrasterkennung. Kombiniert wird dies mit einer intelligenten Motiverkennung – im Marketingdeutsch als "KI-Fokus" bezeichnet –, durch die sich bewegende Objekte dauerhaft scharf gestellt werden, der Fokus ihnen also "folgt".

Im Test war dies vor allem beim Fotografieren von Menschen äußerst überzeugend: Gesichter und vor allem die Augen der Motive blieben auch dann scharf gestellt, wenn diese sich hektisch bewegten. Im Profibereich dürfte hier zum Beispiel beim Anwendungsfall der Hochzeitsfotografie viel Potenzial bestehen. Ausprobiert wurde im Test auch das Tracking von nichtmenschlichen Objekten: Fotografiert von der Jubiläumswarte, blieben vorbeifahrende Autos konstant scharf gestellt, bei einem Motorrad versagte das Tracking hingegen – hier war das Motiv eindeutig zu klein, um auf diese Entfernung korrekt erfasst zu werden.

Schwächen zeigt die Motiverkennung auch beim Tracken von Tieren: Beim Filmen des hauseigenen Katers wurde das Motiv zwischenzeitlich immer wieder unscharf dargestellt. Die Funktion befindet sich aktuell noch im Beta-Modus, eine Verbesserung könnte in Zukunft über ein Softwareupdate nachgereicht werden.

Fazit

Gegenüber der Vorgängerin wurde die Leica SL3 nicht nur leichter und kompakter, sondern auch technisch in vielen Punkten aufgewertet. Der breite ISO-Bereich schafft die Möglichkeit zum Fotografieren bei unterschiedlichen Lichtbedingungen, die hohe Auflösung im Foto- ebenso wie im Videobereich macht die in Deutschland handgefertigte Kamera zu einem zeitgemäßen Mitbewerber für die internationale Konkurrenz.

Der hohe Grad an Gestaltungsfreiheit – allem voran bei der Tastenbelegung – ist ein starkes Asset für alle Menschen, die eine Kamera gerne an ihre persönlichen Vorlieben anpassen. Die Handhabung gestaltete sich im Test äußerst alltagstauglich, Minuspunkte gibt es für das nicht schwenkbare LC-Display. Der Autofokus erfüllt vor allem bei menschlichen Motiven seinen Zweck, auch dadurch wird die SL3 zu einer interessanten Option für Profi-Anwender – und für engagierte Privatanwender mit entsprechendem Kontostand. (Stefan Mey, 13.4.2024)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die SL-3 wurde dem STANDARD für einen begrenzten Zeitraum zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.

Beispielbilder

Die nachfolgenden Bilder dienen Demonstrationszwecken. Da die Website des STANDARD Fotos und vor allem 8K-Videos nicht in voller Qualität darstellen kann, finden sich die Bilder im DNG-Format und Beispielvideos in diesem Ordner.

Porträt Nr. 1
Porträt Nr. 1
STANDARD/Stefan Mey
Porträt Nr. 2
Porträt Nr. 2
STANDARD/Stefan Mey
Detailaufname
Detailaufname.
STANDARD/Stefan Mey
Tierfoto
Tierfoto.
STANDARD/Stefan Mey
Detailaufnahme
Detailaufnahme.
STANDARD/Stefan Mey
Totale
Aufnahme in der Totale.
STANDARD/Stefan Mey