Samariter Suppentopf, Essensausgabe für Bedürftige
Essensausgabe für Bedürftige: Auch die Regierung spielte Krisenfeuerwehr, Minister Rauchs Entwarnung kommt aber zu früh.
© Christian Fischer

Es war ein vernichtendes Urteil in düsterer Karfreitagsstimmung: Bei der Armutsbekämpfung, befand der evangelische Bischof Michael Chalupka zu Ostern, sei die türkis-grüne Bundesregierung "grandios gescheitert".

Hart, aber gerecht? Der Papierform nach ja. Wie im Koalitionspakt nachzulesen, wollten ÖVP und Grüne den Anteil von armutsgefährdeten Menschen halbieren. Tatsächlich jedoch zeigen die bis dato vorliegenden Zahlen nicht einmal einen Trend zum Besseren. Weit daneben ist auch vorbei.

Trotzdem schießt Chalupkas Kritik übers Ziel hinaus. Denn bei einer fairen Bilanz dürfen die Umstände nicht ausgeblendet werden, und die waren äußerst widrig. Corona-Krise und Preislawine haben beste Voraussetzungen für einen breiten sozialen Absturz geschaffen. Diesen hat die Regierung mit vielen Milliarden Euro verhindert.

Nicht alles Geld floss in einmalige Nothilfen, manche Verbesserung hält an. Dass nun alle Familien- und Sozialleistungen Jahr für Jahr automatisch mit der Inflation angehoben werden, ist ein Meilenstein, den Sozialminister Johannes Rauch zu Recht für seine Bilanz reklamiert.

Ein hartes Jahr

Allerdings trägt auch der Grün-Politiker selbst zu dick auf. Die Behauptung, dass die Regierung die Inflation für das untere Einkommensdrittel kompensiert und so das Armutsniveau stabil gehalten habe, ist vom nun als vermeintlicher Beleg präsentierten Sozialbericht nicht gedeckt. Die dort abgebildeten Zahlen stammen von 2022, als sich die Teuerungskrise noch nicht voll entfaltet hatte. So manches deutet darauf hin, dass aber gerade 2023 das härteste Jahr für schlecht situierte Menschen in Österreich war.

Ein Indiz dafür sind die Einkommensdaten. Dank der üppigen Sonderhilfen in den Jahren zuvor dürfte die Kaufkraft der Ärmeren laut Analyse des Budgetdienstes 2023 zwar immer noch über dem Vorkrisenjahr 2019 gelegen sein, doch im Vergleich zu 2022 zeigt sich ein Einbruch. Kein Wunder, dass Schuldenberater von Rekordandrang berichten.

Hätten die Betroffenen in den besseren Jahren eben etwas zur Seite gelegt, ließe sich nun kaltschnäuzig anmerken. Doch das verkennt die Realität. Auf Menschen mit knappem Budget warten stets aufgeschobene Ausgaben, die Sparen unrealistisch machen – von nötigen Renovierungen bis zum Urlaub, den man dem eigenen Kind auch einmal gönnen will.

Voreilige Abrechnung

Selbstlob für das Verhindern eines Armutsanstiegs ist folglich gewagt, ehe nicht die Zahlen für das Vorjahr vorliegen. Wer jedenfalls zu den Verlierern zählt, steht bereits fest: Auf Betreiben der ÖVP verwehrt die Regierung Menschen ohne Job den Teuerungsausgleich für Arbeitslosengeld und Notstandshilfe.

Mehr hätte die Koalition auch unternehmen können, um Notlagen vorzubeugen. Bildung ist der Schlüssel zu einem gut abgesicherten Leben, da hat Rauch völlig recht. Aber warum erschöpft sich der eingeführte Chancenindex, der sogenannten Brennpunktschulen mehr Geld verspricht, dann in einem mickrigen Pilotprojekt? Der Armutskonferenz ist da nicht zu widersprechen: Für Zaudern fehlt die Zeit – man muss es einfach tun. (Gerald John, 10.4.2024)