Petr Popelka und die Wiener Symphoniker erzeugten mit Richard Strauss einen wahrhaften Klangrausch. Musikverein
Petr Popelka und die Wiener Symphoniker erzeugten mit Richard Strauss einen wahrhaften Klangrausch.
Mehmedinovic / Musikverein

Dem Anlass entsprechend muss diese Konzertkritik mit einem Paukenschlag eröffnet werden: Wien hat seit Mittwochabend ein neues Orchester. Es zählt zu den allerbesten der Welt. Name und Mitglieder des Newcomers sind zwar ident mit den Wiener Symphonikern, aber sonst ist alles anders. Denn in den Händen von Petr Popelka verwandelte sich der 124 Jahre alte Klangkörper im Musikverein zum juvenilen Best Ager, der mit Vitalität, Virtuosität und Klangsinnlichkeit zu verführen wusste.

Bei Richard Strauss' Tondichtungen Don Juan und Till Eulenspiegels lustige Streiche fesselte das Dream-Team mit überbordender Spielfreude und einem füllhornartigen Klangrausch – und agierte dabei stets präzise, nuanciert und transparent. Zauberhafte Stimmungsumschläge und Tempowechsel, magische Ruhemomente, Poesie und leichtfüßiger Schalk: alles da. Beglückend zu wissen, dass Popelka in der Jubiläumssaison als neuer Chefdirigent des Orchesters gleich 34 Konzerte leiten wird. Mit seiner jovialen Art und seiner Musizierlust erinnert der Tscheche an Andris Nelsons, mit seiner explosiven Dynamik an Landsmann Jakub Hrůša. Ein Glücksgriff für die Stadt und das Orchester. Der Jubel bei der anstehenden Tournee in Deutschland und den Niederlanden ist fix.

Karajanhafte Strenge

Ein herausragender Künstler ist natürlich auch Cellist Gautier Capuçon. Hart und unerbittlich sein Beginn von Dvořáks Cellokonzert, durchsetzungsfähig der Ton seines Goffriler-Cellos. Eine karajanhafte Strenge ist dem Franzosen zu eigen. Manchmal drückte Capuçon etwas zu sehr auf den Ton, delikate Zurücknahmen entschädigten für diese Pressionen. Wer in der Interpretation des Werks von Heinrich Schiff geprägt wurde, misste möglicherweise das letzte Herzblut, körperliche Sinnlichkeit. Capuçon schwitzt nicht, der 42-Jährige zieht die Sache durch. Wunderschön die Zugabe mit der Cellogruppe der Symphoniker, ein Arrangement von Dvořáks Lasst mich allein. Jubel nach dem Neustart. (Stefan Ender, 11.4.2024)