Die Environmental Justice Foundation hat zu ihrem Bericht Fotos von chinesischen Schiffen veröffentlicht.
Die Environmental Justice Foundation hat zu ihrem Bericht Fotos wie dieses von chinesischen Schiffen veröffentlicht.
Environmental Justice Foundation

Vor einigen Wochen machte die Europäische Union darauf aufmerksam, dass man vor der Küste Somalias einen "bemerkenswerten Anstieg" von Piratenangriffen im Indischen Ozean verzeichnet habe. Seit November hat es demnach drei Angriffe auf größere Schiffe gegeben, dazu auf 18 kleinere Boote (Dhows).

Doch während die steigende Zahl der Attacken von Piraten sowie die Huthi-Milizen im Roten Meer und im Golf von Aden die Schlagzeilen bestimmen, findet eine andere Plage in der Region weitgehend im Verborgenen statt. Die der "neuen Piraten", wie es das renommierte Magazin "The Economist" im vergangenen Jahr formulierte: nämlich "illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerboote". Diese seien die weit schlimmere "Geißel" auf den Ozeanen als die gewöhnliche Piraterie, konstatierte das Magazin und machte dafür vorrangig China verantwortlich.

Fangquoten weit überschritten

Die Rolle der Weltmacht bei der Überfischung an der Westküste Afrikas ist leidlich dokumentiert. An dem Geschäft ist freilich auch Europa nicht ganz unbeteiligt, merken Umweltschützer an. Doch das Ausmaß der Fischfang-Supermacht China erreichen die europäischen Flotten nicht. Immer wieder gibt es Belege, dass Fangquoten weit überschritten werden, illegale, zu feinmaschige Netze zum Einsatz kommen, auch bei geschützten Arten. Lokale Fischer haben mehr oder weniger offensichtlich das Nachsehen: In Ghana besitzen chinesische Firmen, dünn getarnt als örtliche Unternehmen, 90 Prozent der Grundschleppnetz-Fischerboote.

Wie dramatisch die Lage auch vor Ostafrikas Küste ist, war bislang weniger bekannt. Aufschluss gibt nun ein Bericht, der am Donnerstag von der britischen Umweltschutzorganisation Environmental Justice Foundation (EJF) veröffentlicht wurde. In der Region des südwestlichen Indischen Ozeans wurden demnach zwischen den Jahren 2017 und 2023 insgesamt 168 Verstöße gegen Bestimmungen zu Fischerei und Menschenrechten festgestellt, die mit mindestens 66 Schiffen in Verbindung gebracht wurden. 78 Verstöße wurden von chinesischen Staatsunternehmen oder Unternehmen, an denen die chinesische Regierung beteiligt ist, ausgeübt.

Albtraum auf hoher See

In monatelanger, akribischer Arbeit haben die EJF-Aktivisten tiefe Einblicke in das Innenleben dieser Schiffe gewonnen. Die schockierenden Berichte von Besatzungsmitgliedern aus Tansania, Indonesien und Mosambik zeugen von einem regelrechten Albtraum auf hoher See.

"In einer einzigen Nacht wurden über dreißig Haie gefangen", offenbarte ein Mitglied der Besatzung, dessen Identität nicht preisgegeben wurde. Die Verschleierungsmanöver an Bord sind ebenso verstörend. "Wir mussten es gut verstecken, als wir nach Mauritius fuhren, da wir wussten, dass eine Inspektion bevorstand", sagte ein weiteres Besatzungsmitglied über den Umgang mit unrechtmäßig erbeuteten Haifischflossen – dutzende Millionen Haie sterben jährlich nur wegen ihrer Flossen. Fast durchgängig wurde zudem der Einsatz von zu engmaschigen Netzen erwähnt, auch immer wieder Fischfang in ungenehmigten Gewässern.

Körperliche Misshandlungen

Neben unzulässigen Fischfangmethoden berichtete mehr als die Hälfte der befragten Besatzungsmitglieder zudem von körperlichen Misshandlungen an Bord. Der EJF zufolge wurden einige Befragte gegen ihren Willen an Bord festgehalten, darunter sechs nordkoreanische Crewmitglieder, die nach Ablauf ihrer Verträge von Schiff zu Schiff versetzt wurden. Man habe vier Todesfälle aufgedeckt, einer davon mutmaßlich ein Suizid.

Der Bericht wirft ganz nebenbei ein wenig schmeichelhaftes Licht auf die Rolle Chinas und seiner besonders auf dem afrikanischen Kontinent lange bejubelten Initiative der "Neuen Seidenstraße". Inzwischen hat sich bei der Investitionsgroßoffensive auf beiden Seiten eine gewisse Ernüchterung breitgemacht, sie wirft aber für Peking zumindest in Sachen Fischerei offenbar Rendite ab. Von den 142 chinesischen Schiffen, die in der Region operieren, wurden 41 Prozent mit illegalen Aktivitäten in Verbindung gebracht. In den sieben hauptsächlich untersuchten Ländern war China im großen Stil am Bau von Häfen beteiligt. (Christian Putsch aus Kapstadt, 11.4.2024)