"Sehr geehrter Herr Chefredakteur", schreibt Parteichef Herbert Kickl auf rot-weiß-rotem FPÖ-Briefpapier. "Im Hinblick auf eine mögliche Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei Österreichs nach den Nationalratswahlen 2024 ist es mir ein Anliegen, Ihre Überlegungen in die Gestaltung politischer Konzepte maßgeblich einfließen zu lassen."

FPÖ-Parteichef Herbert Kickl am vergangenen Donnerstag im U-Ausschuss zum
FPÖ-Parteichef Herbert Kickl am vergangenen Donnerstag im U-Ausschuss zum "rot-blauen Machtmissbrauch", zu dem er als Auskunftsperson geladen war.
APA / Georg Hochmuth

Das Schreiben bildet also eine Vorhut auf mehr. Österreichs Chefredakteure und Verleger haben in den vergangenen Tagen Post erhalten, mit dem für die FPÖ durchaus überraschenden Bekenntnis, dass "Freiheit und Unabhängigkeit der Medien die Garanten einer Berichterstattung" seien, "auf deren Kompetenz und investigative Kraft" die Bürger vertrauen könnten. Die FPÖ gibt plötzlich vor, sich Sorgen um die österreichische Medienlandschaft zu machen, dabei untergräbt sie unabhängigen Journalismus seit Jahren.

Wo der Angriff regiert

Es gibt nämlich längst ein eigenes Ökosystem an FPÖ-nahen Portalen und Social-Media-Kanälen, die so aussehen, als handle es sich um richtige TV-Nachrichtensendungen, Magazine oder Newsportale. Dort regiert der Angriff. Die Populismusnachrichten imitieren Journalismus und verbreiten nur Inhalte, die der FPÖ recht sind.

FPÖ TV als Parteimedium war der Anfang, inzwischen sind es eine Vielzahl an Telegram-Kanälen und ein ganzes Netzwerk an rechten Fake-Nachrichten-Websites. Sie alle eint, dass Hiobsbotschaften zu permanenten Bedrohungen auf der Tagesordnung stehen. Vor allem von außen, von links, von überall. Kickl ist stets der Held, die ÖVP lügt, die SPÖ verfüttert aktuell angeblich Würmer an Kinder, der Islam ist mindestens so schlimm wie ÖVP und SPÖ zusammen.

Rechtsextremer Spendenaufruf

Werbeanzeigen der FPÖ zeigen, woher die Finanzierung der Portale kommt. Werbung mit dem Konterfei Herbert Kickls nebst FPÖ-Politikerin Petra Steger. Darunter steht in Großbuchstaben "Keine österreichischen Soldaten in den Ukrainekrieg!", als wäre das je irgendwo ernsthaft gefordert worden. Der Paypal-Spendenaufruf des rechtsextremen AfD-Politikers Björn Höcke steht direkt darunter. Während Herbert Kickls 17 Monaten als Innenminister schaltete auch das Ministerium mit Steuergeld Werbung auf solchen Webseiten.

Portale wie diese, in abgestuften Ausprägungen, halten sich mittlerweile österreichische Parteien nahezu aller Denkrichtungen. Viele der schmutzigen Geschichten in den kommenden Wahlkampfmonaten, die darauf abzielen, Gegner politisch zu beschädigen, werden über diese Parteizeitungen der Neuzeit laufen. Die SPÖ hat den "Kontrast"-Blog, die ÖVP mit "Zur Sache" nachgelegt, zusätzlich zum ÖVP-nahen "Exxpress".

Keine unliebsamen Themen

Eigene Parteimedien haben für die populistischen Protagonisten einen unschätzbaren Vorteil: Sie stellen keine unangenehmen Fragen, sie verfolgen keine unliebsamen Themen. Niemals müsste Herbert Kickl sich rechtfertigen, was er vom Spionagefall Egisto Ott als Innenminister mitbekommen hat.

Die Infrastruktur für all dies wird kostenlos zur Verfügung gestellt von Google, Facebook und Co, den Tech-Konzernen unseres Vertrauens. Diese lehnen zum Inhalt jede Verantwortung ab – und bei Sperren werden die falschen Propheten ohnehin neue Onlinekanäle eröffnen. (Gerold Riedmann, 12.4.2024)