Vom "Aussterben der Originale" schrieb Armin Thurnher jüngst auf die Nachricht vom Tod des Vollblut-Journalisten, Vollblut-Lebenskünstlers Teddy Podgorski. Stimmt, in unserem gebrauchsliterarischem Gewerbe findet eine gewisse Ausdünnung an Vollblut-Persönlichkeiten statt. Zuletzt der bedeutende Verleger, Autor und Kunstsammler Christian Brandstätter. Und nun hat es auch den Autor, Magazin-Gestalter und Top-Fotografen Michael Horowitz erwischt. Mit 73 Jahren von einem Krebs, der sich geschickt und lange zu verbergen wusste, vielleicht auch ignoriert wurde.

Für Blödheiten wie schwere Krankheit keine Zeit

Michael Horowitz hatte für so Blödheiten wie schwere Krankheiten keine Zeit, er hatte zu leben und zu arbeiten. Gut zu leben und handwerklich erstklassig zu arbeiten. Horowitz, geboren 1950 in Wien, war ein unermüdlicher Arbeiter und ein noch unermüdlicherer Lebemann – im guten Sinn des Wortes. Er war ein Wiener, der wie so viele seines Schlages seinen Fleiß und seine Hingabe an das Werk geschickt hinter einer genialen Begabung zum Essen, Trinken, Festefeiern und Freundemachen zu verbergen wusste.

Michael Horowitz 2015 bei einer Preisverleihung in Wien.
Michael Horowitz 2015 bei einer Preisverleihung in Wien.
imago/Future Image

Fotograf von Weltklasse

Horowitz war zunächst ein Fotograf von Weltklasse (die Albertina widmete ihm vor ein paar Jahren eine Retrospektive), dann der Erfinder, Gestalter und 25 Jahre lang der Chefredakteur des "Freizeit-Magazins" des "Kurier". Er gab der "Beilage" einen eigenen, unverwechselbaren Touch, mit schönen Fotos und Texten von erstklassigen Autoren. Wie die meisten Kreativen hatte er auch etwas Unduldsames, Forderndes an sich – seine langjährige Mitarbeiterin Isabella Klausnitzer erinnert sich an ihn als einen "Sonnenkönig, der auch Schatten warf". Aber so ist das mit gestalterischen Persönlichkeiten, die nicht mit Managementgequatsche, sondern mit Originalität führen.

Er war auch Autor zahlreicher Bücher, das letzte eines über "Wiener Originale" mit dem Kaffeesieder-Ehepaar Leopold und Josefine Hawelka auf dem Titel. Denn Michael Horowitz war zwar ein begeisterter Salzkammergutler, Semmeringer und Ligurier (wo er ein Feriendomizile hatte), aber vor allem ein Wiener. "Das Goldene Wien" ist eine Liebeserklärung in Buchform und zeichnet auch die Jahre seiner Kindheit und Jugend nach – im Gemeindebau in der Daringergasse, 1190 Wien, einem Quartier für viele Prominente aus Kunst und Kultur: Dagmar Koller, die von Giuseppe di Stefano im Mercedes 600 abgeholt wurde, Peter Weck, Hanno Pöschl, die beiden Fernsehsprecherinnen der ersten Stunde, Franziska Kalmar und Hermi Niedt, die "schönste Stimme Österreichs", Ernst Meister, und "der junge, furchtlose "Zeit im Bild"-Reporter Teddy Podgorski, die beiden "Selbstmordspezialisten" Sluga und Strotzka. Und Helmut Qualtinger.

Talent, sich Freunde zu machen

Horowitz hatte ein besonderes Talent, sich Freunde zu machen, und wenn er jemanden bewunderte, wie H. C.Artmann, Helmut Qualtinger, Peter Ustinov, Hugo Portisch, Otto Schenk, dann ruhte er nicht, bis er einen persönlichen Zugang zu ihnen fand. Michael Horowitz hatte, wie so viele, die an Wien und Österreich zugleich leiden und es nicht lassen können, den "Herrn Karl" von Qualtinger/Merz total verinnerlicht. Für Österreich-kritische und Österreich-liebende Geister war dieses Meisterwerk zugleich Altes und Neues Testament, ein Brockhaus der Wiener Seele und die Quintessenz sämtlicher soziopolitikkultureller Studien seit Jahrzehnten.

Horowitz zitierte gerne daraus: "Aber I war ja leichtsinnig ... Und großzügig ... Die Frauen! ... Die Feste! Was sich da in meiner Wohnung abgespielt hat ...! I sag Ihna: Orgien im Gemeindebau!"

Eine Zeitlang lebte er auch danach, ehe er an der Seite seiner Angelika das stabile Glück fand. Seinen 50er feierte er in Venedig mit einer sehr beachtlichen Zahl von Freundinnen und Freunden, die gerade noch in die Trattoria alla Madonna hineingingen. Sein Musikgeschmack war schon in jüngeren Jahren geprägt von Altspatzen-Bands wie den Bambis ("Melancholie im September"), die er für eines der legendären "Schützenfeste" (veranstaltet von Freunden im Sternzeichen Schütze) aus dem wohlverdienten Ruhestand holte.

Vor allem aber liebte er das Wienerlied: Im "Goldenen Wien" schwärmt er von den Grinzinger Heurigen, die zu seinen Jugendzeiten noch keine Touristenfallen waren und wo es zu Blunznradln, Grammeln, geselchte Züngerln auch die von Tisch zu Tisch gehenden Schrammeln gab mit "Das Glück is a Vogerl", "Warum gibt’s im Himmel kan heurigen Wein" und dem Dreiklang "Pipperln, Papperln, Pupperln". In reiferem Alter wagte er dann, aus seiner Sehnsucht eine Wirklichkeit zu machen, und trug einige Male vor Publikum im Sprechgesang seine geliebten Wienerlieder vor.

Gesellschaftspolitisch "heller Geist"

Aber er war dabei immer ein politisch und gesellschaftspolitisch "heller Geist", wie jetzt Altkanzler Franz Vranitzky sagt. Er hasste die Ausländerhasser, die Antisemiten, die falschen Fuffzger, die auf der Klaviatur der Niedrigkeit spielen. Er erkundigte sich immer wieder flehentlich bei seinen journalistischen Freunden, ob sie eh genug täten gegen "die Nazis", und glaubte immer an eine Koalition der demokratischen Parteien gegen den Rechtsextremismus. Auch im privaten Bereich scheute er sich nicht, dem Wiener Unwesen entgegenzutreten. Als ein Taxifahrer (damals noch "echter Wiener") während der Fahrt einen Strom von ausländerfeindlichem und antisemitischem Dreck losließ, sagte Horowitz in seiner sarkastischen Art: "Das Herrliche am Taxifahren ist ja, dass man dabei nicht reden muss."

Im "Goldenen Wien" zitiert Horowitz einen Wienerlied-Texter: "Kinder, wegen mir brauchts ka Trauergwand". Vielleicht, aber das Andenken an einen Kreativen, der ein kleines Stück Zeitungsgeschichte geschrieben hat und gleichzeitig ein guter Freund und klassischer Wiener war, wird schon noch erlaubt sein. (Hans Rauscher, 13.4.2024)