Das Bild zeigt ein E-Auto von Tesla bei der Reparatur
Die Untersuchung von UScale legt nahe, dass Elektroautos derzeit häufiger Werkstattbesuche benötigen als es ihre Bauweise vermuten lässt.
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Wenn ein E-Auto erst einmal in die Werkstatt muss, kann es richtig teuer werden. Besonders bei Unfallschäden zeigt sich, dass die Reparaturkosten von Elektroautos um 30 bis 35 Prozent höher liegen können als bei vergleichbaren Verbrennerfahrzeugen. Ist man am Kauf eines E-Autos interessiert, wäre es unabhängig davon aber auch gut zu wissen, wie oft man überhaupt Werkstattaufenthalte einkalkulieren sollte.

Während bisherige Diskussionen rund um Elektroautos oft auf Themen wie Umweltfreundlichkeit, Reichweite und Ladeinfrastruktur fokussiert waren, wurde ein weiteres wichtiges Thema lange vernachlässigt: die Reparaturanfälligkeit der Fahrzeuge und damit verbundene Häufigkeit von Werkstattaufenthalten. Eine aktuelle Untersuchung von UScale, einem Marktforschungsunternehmen aus Stuttgart, verglich in diesem Zusammenhang für den DACH-Raum die Erfahrungen von E-Auto-Besitzern mit denen von Besitzern herkömmlicher Verbrennerfahrzeuge – und gibt dabei interessante Einblicke.

Öfter in der Werkstatt als Verbrenner?

In der Studie wurden über 2.500 Fahrzeugbesitzer befragt, darunter 2.154 Elektroautobesitzer und 404 Besitzer von Verbrennerfahrzeugen, wobei das Durchschnittsalter der Fahrzeuge bei drei Jahren lag. Auffällig war, dass 24 Prozent der Elektroautobesitzer innerhalb eines Jahres wegen technischer Mängel einen Werkstattbesuch absolvierten, also fast jeder vierte Wagen. Bei Verbrennerfahrzeugen hingegen waren im Schnitt nur neun Prozent der Besitzer gewzungen, eine Werkstatt aufzusuchen.

Wegen eines Rückrufs mussten in den letzten 12 Monaten im Schnitt 19 Prozent der Elektroautobesitzer ihr Fahrzeug in die Werkstatt bringen. Bei den Besitzern von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor lag dieser Anteil bei 5 Prozent. Dies deutet darauf hin, dass Elektroautos in der Entwicklung nicht nur weniger ausgereift, sondern möglicherweise noch anfälliger für bestimmte Arten von technischen Problemen sein könnten als zunächst angenommen.

Die Ergebnisse verwundern aber auch deshalb, da die technische Konstruktion von Elektroautos – ohne Komponenten wie Ölfilter, Zündkerzen, Auspuff oder Kraftstoffpumpe – theoretisch zu geringeren Wartungsanforderungen führen sollte – wie auch Befürworter von Elektroautos oft als Argument ins Rennen führen. Die Untersuchung legt aber nicht nur nahe, dass Elektroautos derzeit häufiger Werkstattbesuche erfordern als es ihre Bauweise vermuten lässt. Bei grob jedem fünften Betroffenen, dessen E-Fahrzeug in der Werkstatt landet, dauert die Reparatur auch noch länger als erwartet.

E-Auto ist nicht E-Auto

Ein weiterer interessanter Aspekt der Untersuchung ist die Unterscheidung der Defektanfälligkeit nach Automarken. Fahrzeuge von Opel, Audi und Skoda zeigten demnach eine deutlich höhere Tendenz zu außerplanmäßigen Werkstattbesuchen. Im Gegensatz dazu standen Marken wie BMW und Nissan, die wesentlich seltener von solchen Problemen betroffen waren – im Übrigen auch seltener, als im Durchschnitt Besitzer von Verbrennerfahrzeugen betroffen sind.

Grafik von UScale zu Behebung technischer Defekte
Unter den Befragten zeigten sich deutliche Unterschiede bei der Defektanfälligkeit nach Marken.
UScale

Die Untersuchung zeigt zudem, dass Software-Updates für Elektroautos zunehmend zur Routine geworden sind. Trotz einer hohen Rate von 85 Prozent werden diese Updates allerdings nur bei 37 Prozent der Befragten vollständig über das Internet (OTA, „over the air“) durchgeführt. Abgesehen von den Marken Polestar und Tesla dürfte bei den meisten anderen Herstellern also noch erheblicher Nachholbedarf in diesem Bereich bestehen.

Generell zeigt sich, dass E-Auto-Fahrer eine starke Präferenz für digitale Kommunikationswege mit Werkstätten haben dürften. Während 61 Prozent der Befragten nämlich bevorzugt digitalen Kontakt suchen würden, ist dies bei Verbrennerfahrern im Gegensatz dazu nur zu 44 Prozent der Fall. Dies spiegelt die allgemeine Tendenz wider, dass mit der Zunahme digitaler Technologien in Fahrzeugen auch die Erwartungen der Nutzer an digitale Serviceangebote steigen.

Apropos Service: Fast drei Viertel der befragten E-Auto-Fahrer erwarten sich, dass ein von der Werkstatt bereitgestelltes Ersatzfahrzeug ebenfalls elektrisch ist. Zudem hoffen 32 Prozent, dass ihr Fahrzeug bei einem Werkstattaufenthalt kostenlos vollgeladen wird – ein Service, der bei Verbrennern mit kostenlosem Tanken unvorstellbar ist.

Mit Vorsicht zu genießen

Eine Generalisierbarkeit der Untersuchung ist aufgrund bestimmter Einschränkungen allerdings stark zu bezweifeln. Die deutlich kleinere Größe der Verbrenner-Vergleichsgruppe könnte etwa zu einer Verzerrung der Ergebnisse führen, da eine umfangreichere Datengrundlage möglicherweise andere Tendenzen aufzeigen würde. Darüber hinaus könnten die Berichte über ungewöhnlich hoch klingende Defekt- und Rückrufquoten zum Beispiel auch auf spezifische Erhebungsmängel in der Umfrage selbst zurückzuführen sein.

Die Ergebnisse der Untersuchung können zwar durchaus als interessanter Einblick in die Praxis der Elektromobilität betrachtet werden, müssen jedoch mit Vorsicht interpretiert werden. Um mehr als nur Hinweise über die gegenwärtige Zuverlässigkeit von Elektroautos und ihre Anziehungskraft auf Werkstätten ziehen zu können, sind jedenfalls weiterführende Untersuchungen mit größeren und ausgewogeneren Stichproben erforderlich. (bbr, 14.4.2024)