Fairbuds
Das Quasi-Alleinstellungsmerkmal der Fairbuds wird in der EU ab 2027 für alle zur Vorschrift: austauschbare Batterien bei kabellosen Kopfhörern.
DER STANDARD/Brandtner

In der Welt der Unterhaltungselektronik schmückt man sich auf Verpackungen schon lange mit grünen Blättern und ähnlicher Symbolik, um einen behutsameren Umgang mit der Umwelt zu suggerieren. Ein nennenswerter Beitrag wird aber in den meisten Fällen nicht geleistet. Recycelbare Verpackungen und solarbetriebene Fernbedienungen mögen zwar besser sein als gar keine Maßnahmen, von einer wirklichen Nachhaltigkeit der Produkte sind die meisten Hersteller aber leider noch sehr weit entfernt.

Damit verglichen ist Greenwashing für Fairphone ein Fremdwort. Als Pionier für nachhaltige Elektronik versucht man nicht nur, den ökologischen Fußabdruck der Produkte bei der Herstellung zu minimieren, sondern Kundinnen und Kunden auch eine einfache Reparierbarkeit zu ermöglichen. Das galt von Anfang für die Smartphones der niederländischen Marke, seit Sommer letzten Jahres für Overear-Kopfhörer und mittlerweile auch für das jüngste Mitglied der Fairphone-Familie – die Fairbuds.

Teardown schön und gut, aber …

Den ersten Ritterschlag haben die neuen In-Ear-Kopfhörer vor kurzem bereits erhalten: Der Reparaturdienstleister iFixit hat den Fairbuds eine seltene Auszeichnung verliehen und die Reparierbarkeit mit zehn von zehn erreichbaren Punkten bewertet. Ein zweieinhalbminütiges Teardown-Video beschreibt das Produkt als die "reparierbarsten" In-Ears, die ihnen je untergekommen sind – und geht dabei weiter, als es die meisten Nutzerinnen und Nutzer jemals machen werden. Über die modulare Bauweise hinaus, die auch einen schnellen Akkutausch ermöglicht, dazu später mehr, zeigt sich, dass man verhältnismäßig einfach und sauber an die restlichen Komponenten der Kopfhörer gelangen würde. In Kombination mit einer (theoretisch) guten Verfügbarkeit wichtiger Ersatzteile führt das zur Maximalwertung.

Fairbuds
Kompletter iFixit-Overkill: Für die Fairbuds reicht ein simpler 00-Schraubendreher aus.
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Aber seien wir uns ehrlich: Was bringt eine hervorragende Reparierbarkeit, wenn man aufgrund der restlichen Spezifikationen und Klangeigenschaften auch genauso gut Brüllstöpsel für wenige Euro bei Temu, Action und Co. kaufen könnte? Der Nachhaltigkeitsgedanke sollte zwar immer stärker ins Bewusstsein rücken, und muss es für die Hersteller auch - schließlich schreibt eine bevorstehende EU-Regelung den Einsatz austauschbarer Batterien für solche Geräte ab 2027 vor. Das heißt gleichzeitig aber nicht, dass der Rest deshalb zu kurz kommen darf. DER STANDARD hat sich deshalb angesehen – und angehört, ob die neuen Fairbuds von Fairphone im Alltag überzeugen können.

Solide Ausstattung

Die Message ist also angekommen: Kann man gut reparieren, danke. Und sonst? Für eine unverbindliche Preisempfehlung von rund 150 Euro versprechen die Fairbuds am Papier keine wesentlichen Features auszulassen, die man sich heutzutage von In-Ear-Kopfhörern erwarten darf. Das beginnt mit aktiver Geräuschunterdrückung (ANC) und Umgebungsgeräuschunterdrückung (ENC), die dazu beitragen, störende Umgebungsgeräusche zu minimieren und das Hörerlebnis in lauten Umgebungen zu verbessern. Geräusche, die sich Outdoor übrigens auch im Regen und beim Sport unterdrücken lassen, da die In-Ears nach Schutzklasse IP54 (schweiß- und) wetterbeständig sind.

Darüber hinaus bieten die Kopfhörer durch die Unterstützung von Bluetooth 5.3 eine verbesserte Verbindungsstabilität und vor allem die Möglichkeit, mit zwei Geräten gleichzeitig verbunden zu sein. Zum Beispiel ermöglicht das eine abwechselnde und automatische Nutzung der In-Ears für Smartphone und Notebook. Titanbeschichtete Treiber mit einem Durchmesser von 11 Millimeter sollen nicht zuletzt den Eindruck erwecken, besonders gut zu klingen – der Sound lässt sich auch über einen Equalizer bis zu einem gewissen Grad nachjustieren, der in der zugehörigen App für Android und iOS verfügbar ist.

Fairbuds
Die Ausstattung der Fairbuds gibt sich im Großen und Ganzen keine Blöße.
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Und um eines vorwegzunehmen: Die versprochene Akkuleistung der Kopfhörer von durchgehenden fünf Stunden (mit ANC) konnten nicht ganz erreicht werden, weil der rechte Kopfhörer des Testpaars immer deutlich früher in die Ladebox musste als der linke - mit Case sind insgesamt 26 Stunden Laufzeit möglich. Immerhin ganz praktisch, auch für Vergessliche: Nach wenigen Minuten Ladezeit können die Kopfhörer wieder für mehr als eine Stunde genutzt werden.

Nicht zu übersehen

Sind die Fairbuds erst einmal aus ihrer recycelten Verpackung befreit, fällt zuerst die Größe der Ladebox (65mm x 65mm x 27mm) und die Klobigkeit der Kopfhörer (jeweils 28,7mm x 24,6mm x 21mm) selbst auf. Das lässt sich natürlich damit rechtfertigen, dass eine bessere Erreichbarkeit der Komponenten auch größere Abmessungen nach sich zieht – und in Summe ein Gewicht von knapp 80 Gramm. Ein klarer Fall für (enge) Hosentaschen werden die Fairbuds somit wohl eher nicht, hier können viele Konkurrenten deutlich kompaktere Maße aufweisen.

Der matte und recycelte Kunststoff der Ladebox – in der Testversion in Weiß gehalten, alternativ in Schwarz erhältlich – fühlt sich dafür sehr angenehm in der Hand an. Besonders aber am Tragegefühl und -komfort der Kopfhörer gibt es nichts zu bemängeln. Über einen Zeitraum von mehreren Stunden am Stück saßen die Fairbuds fest im Ohr, ohne zu drücken. Auch beim Sport (Rudergerät) machten die Kopfhörer keine Anstalten, unangenehm aufzufallen oder gar rauszufallen.

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Deutlich größer als die Konkurrenz, aber nicht immer ein Nachteil.
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Die Größe der In-Ears hat aber auch einen Vor- im Nachteil: Aufgrund der größeren Oberfläche und somit der geringeren Wahrscheinlichkeit danebenzugreifen, funktioniert die Touchsteuerung besser. Dennoch wäre es auch in diesem Fall wünschenswert gewesen, wenn der Hersteller zumindest bestimmte Funktionen mit physischen Buttons bedacht hätte. Touchsteuerung kann bei In-Ear-Kopfhörern im Alltag bis zu einem gewissen Grad leider immer noch in eine Lotterie ausarten.

Vom Tragen zum Schrauben

Alles andere als eine Lotterie ist das Zerlegen der Ladebox und der Kopfhörer, um die Akkus austauschen zu können. Beim Case reicht ein kleiner 00-Schraubendreher aus, um den Lade-Kern mit USB-C-Anschluss von der Hülle zu trennen. Die darin enthaltene, quaderförmige 500-mAh-Batterie lässt sich danach ganz normal entfernen und austauschen, wie es zum Beispiel auch bei einer Fernbedienung der Fall ist.

Repairing Your Fairbuds | Fairphone
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Bei den Kopfhörern hat man sich einen simplen, aber cleveren Verschluss überlegt, damit der Tausch nicht wesentlich komplizierter ausfällt. Im Selbstversuch ließ sich der Silikonring mit einer Pinzette im Handumdrehen abziehen, um dann das Fach für die Knopfzelle mit einem leichten Druck zu öffnen. Im Nachhinein ist man geneigt, sich zu fragen, warum die Hersteller nicht schon früher auf diese Idee gekommen sind.

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Nach dem Lösen einer einzigen Schraube lässt sich die Batterie der Ladebox tauschen.
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Zur Verfügbarkeit der Ersatzteile heißt es im Shop zwar noch "coming soon" – ein Blick auf Sortiment und Preise zeigt immerhin, dass man mit dem Wichtigsten versorgt werden dürfte. Zwei Knopfzellen samt Silikonringen kosten lediglich zehn Euro. Auch die Batterie der Ladebox erscheint mit knapp 13 Euro fair bepreist. Verliert man einen der beiden Kopfhörer, lassen sich diese künftig für jeweils 45 Euro nachbestellen. Die Platinen alleine lassen sich hingegen nicht separat erwerben. Auf Anfrage des STANDARD heißt es auch, dass man keine alternativen Batterien verwenden sollte, selbst wenn es die Knopfzellen des Typs LIR1054 beispielsweise woanders zu beziehen gäbe.

Gutes Sounderlebnis mit Grenzen

Die schlechte Nachricht zuerst: Auf Hi-Res-Audio-Codecs muss man bei den Fairbuds verzichten, sie unterstützen lediglich SBC und AAC. Die gute: Die neuen In-Ears von Fairphone klingen "out of the box" trotzdem gut. Meistens. Im individuellen "Testparcours", der hier abrufbar ist, war herauszuhören, dass die Kopfhörer vermutlich auf Genres zugeschnitten worden sind, die bevorzugt von einem jüngeren Publikum gehört werden - die basslastige, warme Klangsignatur ist besonders gut geeignet für EDM, Hip-Hop und moderne Pop-Songs.

Fairbuds
Auch das Tauschen der Knopfzelle in den Kopfhörern ist keine Hexerei und in wenigen Minuten erledigt.
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Im Umkehrschluss heißt das auch, dass das Fehlen von Klarheit und somit gewissen Details eher nichts für jemanden sein dürfte, der zum Beispiel viel Klassik hört. Wer mit dem Klang nicht auf Anhieb zufrieden sein sollte, kann ihn freilich mit einem Equalizer (über eine App) zwar feinjustieren. Mit der App des Herstellers kann man aber auch keine Wunder bewirken – doch dazu später mehr. Für den Preis schlägt sich Fairphone beim Klang dennoch gut – für echte (und kabellose) Allrounder muss man in der Regel einfach nochmal tiefer in die Tasche greifen.

Ähnlich verhält es sich bei der aktiven Geräuschunterdrückung: Sie verrichtet ihren Dienst ganz okay, erreicht aber bei weitem nicht die Qualität, wie man sie etwa von Sonys WF1000-XM5 kennt. In der U-Bahn hört man trotzdem laute Sitznachbarn, und auch auf der Straße wird bei weitem nicht alles herausgefiltert, wie man es von richtig gutem Noise-Cancelling gewöhnt ist. Der Ambient-Modus lässt dementsprechend noch mehr durch – aber wie viel, lässt sich leider nicht feineinstellen. Um zwischen den drei Modi (ANC, Ambient, Aus) zu wechseln, muss man lediglich den rechten Bud lange angetippt halten, das funktioniert immerhin ganz gut.

Schwaches App-Erlebnis

Im Alltag überhaupt nicht überzeugen konnte die App. Abgesehen von einem mühsamen Installationsprozess, der auf einem Pixel 8 Pro wahlweise zu Abstürzen führte und/oder die Kopfhörer nicht erkannte, kann die Software auch in funktionsfähigem Zustand bestenfalls als unvollständige Website im App-Format bezeichnet werden. Ausführliche Infos über die Nachhaltigkeit der Fairbuds weiß man im Idealfall schon, bevor man sie gekauft hat. Und Einstellungen sind definitiv nicht dazu da, um die Farbe der Fairbuds anzugeben oder Fairphone auf Social Media folgen zu können.

Fairbuds App
Größte Schwachstelle der Fairbuds: Die aufgeblähte App bietet nur wenig Sinnvolles.
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Dass eine Art Bedienungsanleitung ("Tipps") dabei ist, mag ganz nett sein. Aber auch hier fehlen wichtige Punkte: für weniger Tech-affine Personen zum Beispiel eine Anleitung zum Reparieren, wenn man sie mal schnell brauchen sollte. Insgesamt wird man den Eindruck nicht los, dass man bei der App versucht hat, das wenig Sinnvolle mit viel "Füllmaterial" aufzublähen – eine App-Bewertung von 3,6 Sternen zeigt, dass offenbar auch viele andere Nutzerinnen und Nutzer nicht zufrieden sind.

Selbst der Equalizer, die einzig wirklich sinnvolle Funktion der App, wurde halbherzig umgesetzt: Insgesamt ist es nur möglich, zwischen vier Profilen zu wechseln, von denen drei Profile (Main, Bass Boost und Flat) fix vorgegeben sind und sich nur eines individualisieren lässt (Studio). Hier hätte man sich eine große Scheibe von zahlreichen anderen Herstellern abschneiden können, die allesamt unter Beweis gestellt haben, wie man es besser macht. K.-o.-Kriterium ist die App keine, aber Fairphone wäre wirklich gut beraten, hier noch einmal eine grundlegende Überarbeitung nachzureichen.

Ein Blick auf die Konkurrenz

Und wie schlagen sich die Fairbuds im Vergleich zu anderen Modellen? Ein Duell auf Augenhöhe ist am ehesten der Vergleich mit den Pixel Buds Pro, die auch noch eher im Midrange-Segment zu verorten sind. In der Standard-Einstellung wirken die Fairbuds klanglich sogar detaillierter als die Pixel Buds Pro, allerdings können Googles In-Ears über die Flexibilität der integrierten App viel wettmachen. Selbst wenn die Fairbuds klobig aussehen, ist ihr Tragekomfort höher anzusiedeln. Zwar sind beide In-Ears über längeren Zeitraum angenehm zu tragen, allerdings fangen die Pixel Buds Pro nach ein paar Stunden ein bisschen zu drücken an – ein Gefühl, das bei den Fairbuds gar nicht aufkommt.

Fairbuds und Konkurrenz
Ein Vergleich mit anderen In-Ears: Apple AirPods Pro (links oben), Google Pixel Buds Pro (rechts oben), Sony WF1000-XM5 (links unten).
DER STANDARD/Brandtner

Ein "Unentschieden" beim Tragegefühl gibt es im Vergleich zu den AirPods Pro, allerdings sind die In-Ears von Fairphone klanglich nicht auf dem Level von Apples Kopfhörer. Und schon gar nicht auf dem Niveau von Sonys WF1000-XM5. In beiden Fällen ist allerdings zu betonen, dass diese oder vergleichbare Kopfhörer im Handel derzeit rund 100 Euro mehr kosten. Naheliegend, aber nicht selbstverständlich ist zudem, dass sich die Kopfhörer der Konkurrenz in einem Punkt allesamt den Fairbuds geschlagen geben müssen: Mit Ausnahme der Ear-Tips lassen sich eben bei keinem der verfügbaren Modelle einzelne Komponenten in wenigen Minuten selbst von Laien austauschen.

Fazit

Bei den Fairbuds sollte man aber nicht nur darüber sprechen, dass sie wirklich einfach zu reparieren und somit weniger umweltschädlich sind als vergleichbare Produkte der Konkurrenz. Tatsächlich verbuchen die neuen In-Ears von Fairphone auch einen hohen Tragekomfort und – was bei Kopfhörern immer noch am wichtigsten sein sollte – einen Klang, der für bestimmte Genres nicht überragend, aber in dieser Preisklasse gut und durchaus angemessen ist.

Für die unverbindliche Preisempfehlung von 150 Euro und nicht zuletzt für eine kostengünstige Reparierbarkeit durchaus zu verkraften ist die Tatsache, dass das Design der Kopfhörer klobig und das Ladecase für Hosentaschen eher groß und nicht mehr zeitgemäß ausgefallen ist. Gar nicht überzeugen konnte hingegen die App: Abgesehen von einer mühsamen Installation auf dem Pixel 8 Pro, bei der die App ständig abgestürzt ist, überzeugt das Konzept auch dann nicht, wenn die App einmal funktioniert. Hier darf man hoffen, dass Fairphone noch nachbessern wird.

Dennoch kann eine Kaufempfehlung für die Fairbuds ausgesprochen werden: Anders als bei den Fairbuds XL zuvor schnürt Fairphone mit seinen neuen In-Ear-Kopfhörern in Summe ein Paket, das die wichtigsten Features enthält und klanglich solide ist. Der Deal ist jedenfalls gut genug, die Fairbuds im Fall der Fälle nicht nur reparieren zu können, sondern es auch zu wollen. Mission accomplished. (Benjamin Brandtner, 21.4.2024)