Das Problem ist groß. Und es wächst. Die Bevölkerung wird laufend älter, braucht dementsprechend immer mehr Pflege. Allerdings kracht es im Gesundheitssystem, und die Fachkräfte fehlen. Nicht grundlos suchen österreichische Organisationen mittlerweile in Kolumbien, Indien oder auf den Philippinen nach Personal. Bis 2050 werden im Pflegebereich und in der Betreuung knapp 200.000 zusätzliche Arbeitskräfte benötigt, besagt eine Untersuchung der Gesundheit Österreich (GÖG).

Die Pflegebranche ist in weiten Teilen noch sehr analog aufgestellt, genau da setzt das Grazer Start-up HerzensApp an, um etwas gegen den Pflegenotstand zu unternehmen. Sozusagen ein Uber für Pflegekräfte zu werden lautet das Ziel. Das Jungunternehmen hat eine digitale Plattform entwickelt, die die Vermittlung von Pflegekräften, die Dokumentation von deren Arbeit und die Kommunikation mit Angehörigen vereinfacht.

Pflegerin hilft älterer Frau beim Gehen.
Stellt man die derzeitige Zahl der abgeschlossenen Ausbildungen im engeren Pflegebereich und den Bedarf bis 2050 gegenüber, ergibt sich laut Gesundheit Österreich eine Lücke von rund 2.000 bis 3.000 Personen pro Jahr.
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Automatisierte Vorschläge

Was heißt das? Als Softwareanbieter unterstützt HerzensApp Agenturen, die Pflegepersonal vermitteln. In einer App gibt man Suchkriterien ein und bekommt daraufhin drei bis fünf Vorschläge mit verfügbaren Pflegerinnen oder Pflegern aus der Gegend. "Erst wenn man sich für eine Person entschieden hat, beginnt die Agentur mit der eigentlichen Koordination und Organisation", sagt HerzensApp-Mitgründer Oliver Wimmer im Gespräch mit dem STANDARD. Weil das Match-Making automatisiert geschehe, spare sich die Agentur viel administrativen Aufwand. Oft sei die Agentur der Flaschenhals, dass Pflegerinnen und Familien nicht zueinanderfinden, weil noch mit unübersichtlichen Excel-Tabellen gearbeitet werde.

Nach der Onlineauswahl kommt eine diplomierte Krankenpflegerin (DGKP) zur Erstaufnahme zu der Familie und erstellt eine To-do-Liste für den oder die danach zuständige Betreuerin. Einmal im Monat findet durch die DGKP eine Qualitätskontrolle statt.

Dokumentation in 16 Sprachen

Bei den Aufgaben oder auch Vorlieben der Pflegebedürftigen gehören Sprachbarrieren zu den größten Hindernissen im Pflegealltag. Damit es erst gar nicht so weit kommt, hat HerzensApp mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) eine Sprachsteuerung integriert. Das soll Kommunikation und Dokumentation erleichtern. "Oft müssen Pflegerinnen mit geringen Deutschkenntnissen ihre Arbeit handschriftlich dokumentieren. Das kostet viel Zeit, und es passieren Fehler. Mit unserer Software sprechen Pflegekräfte ins Smartphone ein, was sie getan haben, die App verschriftlicht in 16 verschiedenen Sprachen – und ist auf medizinische Terminologie trainiert", erklärt Wimmer.

Screenshot der App mit den möglichen Funktionen
Pflegeagenturen betreuen teilweise hunderte Familien. Das HerzensApp-Dashboard verspricht, mit seiner Software den gesamten Administrationsablauf digital abzubilden und zu vereinfachen.
HerzensApp

Kommunikation mit Angehörigen

Das soll auch die Kommunikation mit Angehörigen vereinfachen. Familienmitglieder könnten auf Deutsch Anweisungen erteilen, die automatisch in die Muttersprache der Pflegekraft übersetzt werden und vice versa, schriftlich und mündlich. Außerdem ließe sich jederzeit von überall der Gesundheitszustand der jeweiligen Person abfragen, wenn die Angaben in der App korrekt gemacht werden.

HerzensApp wurde im Jahr 2022 in Graz gegründet und arbeitet aktuell mit zehn Agenturen zusammen, die über ein Netzwerk von 450 Pflegefachkräften verfügen. Der Fokus liege laut Unternehmensangaben aktuell auf Österreich, die App sei aber grundsätzlich jederzeit auch in anderen Ländern einsetzbar. (Andreas Danzer, 19.4.2024)