Am Donnerstag könnte der langjährige FPÖ-Graz-Chef und Vizebürgermeister Mario Eustacchio, der im Herbst 2021 zurückgetreten ist, als parteifreier Gemeinderat angelobt werden. Wie DER STANDARD berichtete, sorgte diese Comeback-Ankündigung in der Gratiszeitung Der Grazer am Sonntag für Aufregung und Empörung in Graz, denn Eustacchio ist immer noch einer der Hauptbeschuldigten in der millionenschweren Finanzaffäre seiner Ex-Partei. Es geht um mutmaßliche Veruntreuung und Untreue im Zusammenhang mit Steuergeld. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt ermittelt gegen zehn Personen.

Mario Eustacchio vor der Grazer Wahl 2021, als er noch bei der FPÖ. Kurz danach folgten Wahlschlappe und der Finanzskandal.
Mario Eustacchio vor der Grazer Wahl 2021, als er noch bei der FPÖ war. Kurz danach folgten Wahlschlappe und der Finanzskandal.
ERWIN SCHERIAU / APA / picturede

In der Gratiszeitung konnte der politische Wiedergänger Eustacchio die ganze Affäre unwidersprochen als "anonyme Anzeige oder anonyme Mitteilungen" abtun, obwohl seit zweieinhalb Jahren bekannt ist, dass eine Selbstanzeige seines langjährigen Gefährten und zuletzt Klubfinanzreferenten Matthias Eder die Ermittlungen losgetreten hatten. Ein weiterer Satz im Grazer-Interview sorgte für Verwunderung: "Seit zweieinhalb Jahren bin ich anonym beschuldigt, und bis heute wurde ich noch nicht befragt." Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Klagenfurt, Tina Frimmel-Hesse, stellt das am Montag auf STANDARD-Nachfrage richtig: "Das ist ein Blödsinn", sagt die Behördensprecherin recht eindeutig.

"Wenig gesagt"

"Er hat zwar wenig gesagt, aber ist natürlich schon vor längerer Zeit einvernommen worden", so Frimmel-Hesse weiter, "und erst im März gab es eine Anordnung der zuständigen Staatsanwältin für eine weitere Einvernahme, diese hat vielleicht sogar auch schon stattgefunden, noch haben wir dazu keinen Bericht, aber der könnte jeden Tag kommen."

Ein Teil der Vorwürfe im Finanzskandal bezieht sich auf regelmäßige Zahlungen und Barbehebungen, die Eustacchio und sein damaliger Gemeinderatsklubchef Armin Sippel über den Verein und Barbehebungen zusätzlich zu ihrem Salär erhalten haben sollen. Bei Eustacchio sollen das jahrelang 50.000 Euro pro Jahr gewesen sein. Es gilt für alle die Unschuldsvermutung.

Just kurz vor seiner Rückkehr in den Gemeinderat, wo er statt des – ebenfalls beschuldigten – Roland Lohr, der sich aus "persönlichen Gründen" zurückzog, einen Sitz einnehmen wird, tauchte auch eine neue Zahlung im Ermittlungsakt auf, die belegt, dass auch die Landes-FPÖ Eustacchio im Jänner 2017 genau 50.000 Euro auf sein Stadtratskonto überwiesen haben soll. Als Verwendungszweck wurde eine Vereinbarung angegeben, die dem STANDARD nun ebenso vorliegt: Die "Rückzahlungsvereinbarung" über eine "Zwischenfinanzierung FPÖ Graz Gemeinderatsklub" wurde von Landes-Chef Mario Kunasek unterschrieben und offenbart einen spannenden Geldfluss: Zuerst von der Landespartei-Geschäftsstelle zum damaligen Stadtrat Eustacchio, doch an die Landesgeschäftsstelle wurden 50.000 Euro von einem Konto namens "Mag. Armin Sippel FPÖ Graz" zurückgezahlt.

"Verdacht der Kaschierung"

Der Anwalt der Landespartei Christoph Völk antwortete auf die Frage nach Aufklärung dieses Geldflusses am Montag schriftlich: "Das ist Gegenstand des Ermittlungsverfahrens. Das Ermittlungsverfahren wird von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt geführt. Mit dieser kooperiert unsere Mandantin."

Landesparteiobmann Mario Kunasek während des Neujahrstreffen der FPÖ am Samstag, im Jänner 2024 im Schwarzl Freizeitzentrum in Premstätten.
Landesparteiobmann Mario Kunasek während des Neujahrstreffen der FPÖ im Jänner 2024 im Schwarzl-Freizeitzentrum in Premstätten.
APA/ERWIN SCHERIAU

Doch für Matthias Cernusca, den Rechtsvertreter des Korruptionsfreien Gemeinderatsklubs (KFG), bestehend aus Ex-FPÖlern, die nach deren Forderung nach Aufklärung des Skandals aus der FPÖ ausgeschlossen wurden, "erhärtet sich die Verdachtslage, dass es auch auf Ebene der Landespartei zu Malversationen gekommen ist". Durch die erwähnte Rückzahlung über ein anderes Konto bestehe "aus strafrechtlicher Sicht daher der Verdacht, dass diese Rückzahlung nur der Kaschierung für die Buchhaltung diente. Was Herr Eustacchio mit diesem Geld gemacht hat, ist völlig unklar."

Aufdeckerbuch

Auch der KFG-Klubobmann Alexis Pascuttini zeigt sich ob der neuen Enthüllungen schockiert: "Warum überweist die FPÖ Steiermark 50.000 Euro aus der Parteiförderung auf das Konto eines Grazer Stadtregierungsmitglieds? Diese Ebenen haben nichts miteinander zu tun!", fragt er, "zum wiederholten Male muss ich Mario Kunasek und Co auffordern, die Konten der FPÖ Steiermark rückwirkend bis ins Jahr 2008 zur Gänze offenzulegen!"

Volle Transparenz forderte Pascuttini schon, als er zwischenzeitlich bis zu seinem Rauswurf selbst FPÖ-Klubchef war. Vergebens. Heute schreibt er an einem Aufdeckerbuch über seine ehemalige Partei. Er und die KFG-Stadträtin, die ebenfalls Aufklärung forderte und von Bundesparteichef Herbert Kickl aus der FPÖ ausgeschlossen wurde, sowie weitere Überläufer zum KFG werden nicht als Beschuldigte geführt. Doch der KFG hat als Privatbeteiligte Partei Akteneinsicht.

Wie berichtet, wird auch gegen Landesparteichef Mario Kunasek seit Monaten als Beschuldigter ermittelt. Der ehemalige Verteidigungsminister Kunasek tritt auch als FPÖ-Spitzenkandidat bei der steirischen Landtagswahl im Herbst an. (Colette M. Schmidt, 22.4.2024)