In der Finanzaffäre rund um die Grazer und die steirische FPÖ kommt dieser Tage viel ans Licht.
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Die Ereignisse rund um die Finanzaffäre der Grazer und steirischen FPÖ überschlagen sich dieser Tage. Am Sonntag überraschte der heute parteifreie frühere FPÖ-Vizebürgermeister von Graz, Mario Eustacchio, mit der Ankündigung, dass er am Donnerstag als wilder Gemeinderat zurückkehren will – obwohl Eustacchio als einer der zehn Beschuldigten im Verfahren um mutmaßlich missbrauchte Fördergelder geführt wird.

Am Dienstag bestätigte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt dem STANDARD, dass rund um die Finanzaffäre der FPÖ Graz, in der wegen rund 1,8 Millionen Euro mutmaßlich veruntreuter Steuergelder ermittelt wird, ein neuer Verfahrensstrang eröffnet wurde.

Es wird gegen Roland Lohr, jenen Gemeinderat, dessen Mandat Eustacchio nun übernimmt, "wegen des Verdachtes nach dem § 207a StGB" ermittelt. Es geht in diesem Paragrafen im Strafgesetzbuch um "bildliches sexualbezogenes Kindesmissbrauchsmaterial und bildliche sexualbezogene Darstellungen minderjähriger Personen". Das Material wurde im Zuge einer Hausdurchsuchung von den Ermittlern beschlagnahmt. Bisher war nicht bekannt, warum sich Lohr zurückzieht, denn Ermittlungen wegen Veruntreuung und NS-Wiederbetätigung führten bisher nicht zu seinem Rückzug. Mit den neuen Erkenntnissen sind auch Spekulationen, wonach Lohr seinen Sitz nur räumt, um Eustacchios Rückkehr zu ermöglichen, vom Tisch.

Lohr gab vor einigen Tagen "persönliche Gründe" an. Sein Anwalt bestätigt am Dienstag die neuen Ermittlungen. Die polizeiliche Einvernahme finde erst im Mai statt. "Mein Mandant verwehrt sich gegen den ihm gegenüber erhobenen Vorwurf. Er hat keinesfalls tatbestandsmäßig gehandelt und wird sich sohin im Zuge der polizeilichen Einvernahme für nicht geständig verantworten", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.

Zankapfel

Lohr, der lange Jahre FPÖ-Politiker war, wurde zum Zankapfel, als Alexis Pascuttini und Claudia Schönbacher ihn nicht mehr im FPÖ-Klub haben wollten.

Landesparteichef Mario Kunasek bestand darauf, Lohr zu behalten, Pascuttini und Schönbacher wurden von Kunasek und Bundesparteichef Herbert Kickl aus der Partei ausgeschlossen. Sie gründeten in der Folge den Korruptionsfreien Gemeinderatsklub (KFG) – DER STANDARD berichtete. Später verließ auch Lohr die Partei, blieb aber bis zuletzt als wilder Mandatar im Grazer Gemeinderat. Bei Lohr war bei einer Hausdurchsuchung im Oktober 2022 auch NS-bezogenes Material gefunden worden. Offenbar fanden die Ermittler bei ihm aber noch mehr.

"Genauere Ergebnisse liegen noch nicht vor", sagt Behördensprecherin Tina Frimmel-Hesse. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Kunasek: "War sicher nicht so"

Bereits zum dritten Mal beantragte die Staatsanwaltschaft (StA) Klagenfurt nun die Auslieferung des Landesparteichefs der FPÖ, Mario Kunasek, wie die Kleine Zeitung in ihrer Dienstagsausgabe berichtet. Auch seine rechte Hand, der Landtagsabgeordnete Stefan Hermann, soll ausgeliefert werden. Der erste Antrag der Anklagebehörde, Kunaseks Immunität aufzuheben, bezog sich auf den Vorwurf mutmaßlicher Mitwisserschaft und falscher Zeugenaussage in der millionenschweren Finanzaffäre der FPÖ Graz.

Der zweite Auslieferungsantrag wurde notwendig, damit die StA Klagenfurt wegen einer anonymen Whistleblower-Anzeige ermitteln kann. Es geht um mutmaßliche Malversationen bei Rechnungen für Kunaseks Hausbau. In beiden Fällen hob der steirische Landtag 2023 die Immunität des Parteichefs auf. Beim jüngsten Auslieferungsbegehren geht es nun um eine Anzeige des aus der FPÖ hinausgeworfenen Grazer KFG-Klubchefs Alexis Pascuttini.

Er wirft Kunasek und Hermann versuchte Nötigung vor. Konkret hätten sie den selbsternannten Aufdecker Pascuttini, der vor seinem Parteiausschluss öffentlich immer wieder die Aufklärung der Finanzaffäre forderte, unter Druck gesetzt. Es gilt für alle die Unschuldsvermutung.

Mario Kunasek bestritt das gegenüber dem ORF Steiermark am Dienstag: Es gehe bei Sitzungen zwar "manchmal hitziger" zu, aber genötigt worden sei niemand, so Kunasek sinngemäß. Er gehe "gelassen mit der Sache um". Pascuttini ließ in einer Presseaussendung wissen, dass er dazu vorerst keine Stellungnahme abgeben, Medien aber bald zu einem Hintergrundgespräch laden werde. (Colette M. Schmidt, 23.4.2024)