Wohl nicht mehr vom Kurs abzubringen. Sturm-Trainer Christian Ilzer.
APA/ERWIN SCHERIAU

Graz – Liebesgrüße dürften den Weg aus Graz nicht nach Wien gefunden haben, doch Rapids 2:0 gegen Salzburg hatte mit Sturm Graz einen zweiten großen Sieger. Der Bundesliga-Leader schien sein Reserve-Ergebnis im Titelrennen mit einem 1:1 gegen Hartberg zuvor aufgebraucht, nun aber ist der vierte Meistertitel in der Sturm-Historie ganz nah. Ein Sieg aus zwei Spielen reicht, um das Kunststück selbst zu vollenden. "Wir ziehen das noch durch die zwei Spiele", erklärte Gregory Wüthrich.

Dass Sturm nach einer frühen roten Karte gegen Kapitän Jon Gorenc Stankovic (9.) im Steirerduell Punkte abgab, erschien nach den Geschehnissen in Wien freilich in viel positiverem Licht. "Heute so zurückzukommen und noch ein Unentschieden zu erreichen ist überragend von der Mannschaft", sagte Alexander Prass nach der geschafften Schadensbegrenzung zu zehnt.

"Schönstes Unentschieden der Saison"

Nach dem Hartberger Führungstreffer durch Maximilian Entrup (17.) benötigte Sturm einen "Kraftakt" (David Schnegg). Otar Kiteishvili erzielte in der zweiten Hälfte sein möglicherweise wichtigstes Tor für Sturm (58.). "Heute war es wieder ein Charaktertest. Es passiert nicht zufällig, dass wir diesen einen Punkt holten", sagte Kiteishvili.

Sein Trainer sprach nach dem geglückten "Ritt auf der Rasierklinge" vom "wahrscheinlich schönsten Unentschieden der Saison". Christian Ilzer traf in seiner Pausenansprache mit dem Ziel, "den Glauben in die Köpfe zurückzubringen", den Spielern zufolge den richtigen Ton. "Die Entschlossenheit ist da, wir gehen unseren Weg", schilderte der Erfolgstrainer seine Eindrücke der zweiten Hälfte, die sich auch als Ausblick lesen lassen. "Egal welche Steine uns in den Weg gelegt werden, diese Truppe räumt sie weg. Wir ziehen das definitiv bis zum Schluss durch."

Ein bekanntes Bild: Jubel bei Sturm, diesmal nach dem 1:1 durch Otar Kiteishvili gegen Hartberg.
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Die erfolgreichste Saison seit dem Double 1999 vor der Nase, stellten die Sturm-Akteure mantraartig ihre Zuversicht zur Schau. "Ganz egal, was Salzburg machen wird, wir werden die zwei Spiele noch gewinnen", versprach Abwehrchef Wüthrich eine Siegquote, die es nun gar nicht mehr braucht. Mit einem Sieg beim LASK könnte Sturm den Sack bereits zumachen, den zweiten Matchball böte abschließend ein Heimspiel gegen Klagenfurt. Ilzer: "Wir werden ready sein."

Stürzt Sturm die Salzburger nach zehnjähriger Dominanz vom Thron, winkt auch ein Millionenjackpot. Nur der Ligatitel garantiert heuer zum vorerst letzten Mal einen Fixplatz in der Champions League und damit ein Startgeld von fast 20 Millionen Euro. Für Andreas Schicker könnte die Königsklasse zum Trumpfass in der Kaderplanung werden.

Schwierige Verhandlungen

Denn obwohl es dem Sportchef in den fast vier Jahren seiner Schaffenszeit in Graz oft gelang, wichtige Spieler auch frühzeitig zu verlängern, so gelingt am Ende auch nicht alles. Die mehrmonatigen Verhandlungen mit Kiteishvili, der Schaltzentrale in Sturms Offensive, und dem gesetzten Innenverteidiger David Affengruber, brachten bisher kein Ergebnis. Gerade der georgische EM-Fahrer Kiteishvili (28) wird sich eine Entscheidung möglichst lange offen halten.

Schicker hofft aktuell (noch), dass ihm die Meisterschaftsplatzierung zusätzliche Argumente liefert. Wohl auch, was den Verbleib von Prass, Jusuf Gazibegovic und Tomi Horvat angeht, die zwar längere Kontrakte besitzen, aber längst Begehrlichkeiten geweckt haben. Ganz zu schweigen davon, dass sich Ilzer die einzigartige Gelegenheit, als erst zweiter Trainer nach Ivan Osim mit Sturm in der Champions League zu spielen, wohl nicht nehmen lassen wird.

Neue Dimensionen

Im ligainternen Wettbewerb könnte ein Meister Sturm finanziell in neue Dimensionen vorstoßen. Zwar würde sich die Schere zum Klub-WM-Teilnehmer Salzburg kaum schließen. Im Rennen um die Position hinter den Bullen, also gegen Rapid und den LASK, gelänge aber ein großer Wurf. Die Uefa-Prämien dürften durch die Reform erneut steigen, zudem sind durch den neuen Modus mit acht Gruppenspielen vier Heimpartien im wohl ausverkauften Klagenfurter Wörthersee-Stadion garantiert.

Sturm würde sich damit auch vom Druck befreien, den nächsten Millionenverkauf nach Rasmus Höjlund, Emanuel Emegha und Kelvin Yeboah zu schaffen. Zumal sich ein Höjlund-Nachfolger aktuell nicht aufdrängt. Sich selbst würden die Sturm-Akteure durch den Titel einen wesentlich ruhigeren Sommer erspielen. Der Vizemeister startet in der letzten Juliwoche höchstwahrscheinlich in der 2. Qualifikationsrunde der Champions League. Das bedeutet einige englische Runden, ehe der Meister Mitte September in der Champions League einsteigt. (APA, 6.5.2024)