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Kanzler Werner Faymann: "Darum ist die Frage: Wie stark sind die Sozialdemokraten, und wie können wir jene neoliberalen Kräfte, die alles über Bord werfen, schwächen?"

Foto: LEONHARD FOEGER/reuters

Wien - Bundeskanzler Werner Faymann ist offensichtlich beeindruckt. Vom ÖGB. Von dessen Kampagne für eine Steuersenkung. Von den gewerkschaftlichen Vorschlägen, die Steuersenkung zumindest zum Teil über Millionärssteuern zu finanzieren. Das in der Vorwoche beschlossene Konzept der Arbeitnehmervertretung lobte Faymann bei der Klubtagung der sozialdemokratischen Parlamentarier jedenfalls: "Ich bin auch dafür, dass wir am Bundesparteitag dieses Modell beschließen, um zu zeigen: Da passt kein Blatt Papier dazwischen."

In dem an einen Bunker erinnernden, in fensterlosem Sichtbeton ausgeführten "Palais Kabelwerk" in Wien-Meidling haben sich die SPÖ-Parlamentarier mit Regierungsmitgliedern und den Exponenten von AK und ÖGB zusammengesetzt, um den Blick freizubekommen für die ökonomische Zukunft. "Die Einbunkerung ist kein Zukunftskonzept", sagt der Kanzler, meint aber nicht das Gebäude, sondern die Nationalisten in allen EU-Ländern, die wieder ökonomische und sonstige Grenzen hochziehen wollen.

Schutz der Märkte vor Steuervermeidern

Wobei: Auch Klubchef Andreas Schieder betont, dass er kein Freund von Protektionismus sei - fordert aber gleichzeitig den Schutz der europäischen Märkte und insbesondere des österreichischen Marktes vor unfairer Konkurrenz, "wenn es Händler wie Amazon gibt, die überhaupt keine Steuern zahlen müssen, während der lokale Buchhändler sehr wohl voll zahlt".

Diese Sichtweise wird von Carsten Schneider von der SPD-Bundestagsfraktion gestützt: Er beklagt in der anschließenden Diskussion, dass die nationalen Gesetzgeber zu viel Rücksicht auf steuerliche Ausnahmen in Irland oder den Niederlanden nehmen müssten und fordert seine österreichischen Kollegen auf, dass die sozialdemokratischen Abgeordneten, überhaupt die nationalen Parlamente, international viel intensiver Kontakt halten sollten.

Suche nach dem guten Leben

Schieder legt seine Rede sehr nachdenklich, beinahe philosophisch an, er fragt: "Wo sind die Antworten auf der Suche nach einem guten Leben? Wir müssen nachdenken, was es heißt, ein gutes Leben zu führen, das dreht sich um Freiheit und Wohlstand." Wobei Schieder im sozialdemokratischen Sinne ökonomische Freiheiten zu beschränken geneigt ist, wenn das dem Wohlstand der Gesellschaft förderlich wäre.

Und dazu brauche es qualitatives, nachhaltiges, sozialverträgeliches Wachstum, für dessen Ankurbelung Schieder den Rat internationaler Experten eingeholt hat. Das Impulsreferat hielt Engelbert Stockhammer, Wirtschaftsprofessor an der Londoner Kingston University und überzeugter Keynesianer: "In keinem neoliberal geführten Land wurde das Wachstum von Unternehmensinvestitionen getragen." Vielmehr seien es Konsumausgaben gewesen, die aber auf Pump erfolgt seien - und die hohe Verschuldung der privaten Haushalte sei wiederum Auslöser in der Krise geworden.

Schlag nach bei Keynes!

Daher sei die Rolle des Staates zu überdenken, dieser solle wieder mehr investieren, sagt Stockhammer - und bekommt Unterstützung vom Arbeiterkämmerer Werner Muhm, der im Publikum sitzt und sich mit der Anregung zu Wort meldet, der Staat solle angesichts niedriger (sogar zeitweise negativer) Zinsen Geld für Infrastrukturinvestitionen aufnehmen, das käme billiger als Public Private Partnership.

Auf die Arbeitnehmervertreter wird jedenfalls viel gehört im SPÖ-Klub - und wie es scheint, auch an der Parteispitze. Vorsitzender Faymann stimmt seine SPÖ jedenfalls darauf ein, künftig zu kampagnisieren, wie es der ÖGB in der Steuerfrage gemacht hat: "Das, was wir wollen, wird auf viel Widerstand stoßen. Wir können auch keine Garantie abgeben, dass wir jeden über den Tisch ziehen - es kann keine Partei der Welt den Koalitionspartner überzeugen."

Starke Kampagnen

Starke Kampagnen, die Rückhalt in der Bevölkerung haben, würden da mehr bewirken, auch und gerade bei einem sonst schwer zu beeindruckenden Koalitionspartner.

Kanzler Werner Faymann spricht vor dem SPÖ-Parlamentsklub - weil die Schatten der Krise noch lange zu sehen sein werden, müsse die Wirtschaftspolitik eine sozialdemokratische Handschrift zeigen. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 23.9.2014)