Golestan-Palast.

Foto: Anne Katrin Feßler

Hadi Alijani (Aaran) spielt mit traditionellem Vokabular.

Foto: Aaran Gallery

Massenmord an Schafen von Siamak Filizadeh.

Foto: Aaran Gallery

Ausstellung von Kuros Nekouian bei Raf.

Foto: Raf Gallery

Graffiti im Hof der "Y"-Galerie.

Foto: Anne Katrin Feßler

Das TMOCA.

Foto: TMOCA

Arbeit am Kuh-Euter von Sepideh Mehregan (Mohsen).

Foto: Anne Katrin Feßler

Navid Salajegheh (Raf).

Foto: Raf Gallery

Ein Feuerlöscher links und rechts und die Toiletten in Reichweite: So präsentiert sich in Teherans Museum moderner Kunst, kurz: TMOCA, ein Hauptwerk des Minimalisten Donald Judd - heute locker einige Millionen Dollar wert. Ein Statement, ebenso wie der Umstand, dass es mit neun von ursprünglich zehn Metallelementen unvollständig ist. Prominenter platziert ist Alexander Calders Mobile im Foyer; bewacht von den Augen der geistigen Führer Khomeini und Khamenei, deren Porträts sich im gesamten Stadtbild wiederfinden.

Bis auf die Skulpturen im nicht zugänglichen Garten - darunter Werke von Henry Moore oder Alberto Giacomettis berühmter Walking Man - sind dies derzeit die einzigen ausgestellten Werke jener Sammlung, die Farah Diba, Frau des letzten Schahs Reza, zusammentrug. Mit angeblich nur vier Millionen Petrodollar wurde eine von Monet bis Warhol reichende Kollektion finanziert, die in der nichtwestlichen Hemisphäre einzigartig ist: Ihr heutiger Wert wird mit mehr als drei Milliarden Dollar beziffert. Seit der Revolution lagert sie im Keller und wurde nur noch einmal - 2005 unter Khatamis Präsidentschaft - komplett ausgestellt.

Vollkommen uninspiriert und ohne Jahreszahlen präsentiert man dort nunmehr offizielle iranische Kunst; Besucher sind rar, und die Kunstszene boykottiert das zahnlose Konzept. Nazila Noebashari, Chefin der Aaran Gallery, bebt vor Wut, als sie von ihrem letzten Besuch erzählt: Der Zustand der Warhol-Blätter sei erbärmlich, aus konservatorischer Sicht ruiniert, schimpft sie.

Weggeschlossen und zwiespältig, so präsentiert sich auch die zeitgenössische Kunstszene Teherans, die sich mangels offizieller Institutionen - vom eher konservativen und unbeweglichen Künstlerhaus einmal abgesehen - in kommerziellen Galerien, den raren alternativen Räumen (Sazmanab, "Y"-Galerie), aber auch in Privathäusern abspielt, die quer über den nördlichen, wohlhabenderen Teil der Acht-Millionen-Stadt verstreut sind. Selbst mit Fahrer braucht es aufgrund der Distanzen und des irren Verkehrs oft mehr als eine halbe Stunde von A nach B.

Vieles ist sehr versteckt, etwa im Souterrain beherbergt, wie die seit mehr als 20 Jahren bestehende Avantgarde-Galerie Azad der Künstlerin Rozita Sharafjahan. Zwar kann Sharafjahan, die inzwischen Professorin ist, die Galerie, einen Ort für Performance und Video, inzwischen selbst finanzieren. Das Startkapital wie die Immobilie stellte, ebenso wie in der Aaran-Galerie, jedoch die Familie zur Verfügung. Der millionenschwere Unternehmergatte erlaubt Shirin Tavakolian, die Shirin- Galerie zu einem "Education Center" (Skulpturenkurse!) mit Kaffeehaus (Illy) aufzupimpen. Im September eröffnet eine Dependance in New York, und die Teilnahme an der Viennafair ist zugesagt. Die 1000-prozentige Inflation, die vor wenigen Monaten einsetzte, fällt bei solchen Playern nicht ins Gewicht.

Viel Publizität genießt die Kunst nicht, Kunstmagazine sind Mangelware, neue Hefte wie Art Tomorrow nicht über eine Handvoll Ausgaben hinausgekommen. Das kleine Publikum mache die Kunst aber auch unverdächtiger, gewähre ihr mehr Freiheiten als dem Kino oder dem Theater, heißt es. In puncto Zensur (keine Nacktheit, sitten-, religions- und regierungskonform soll es sein) ist man - trotz inhaftierter Kollegen - uneins. Nazila Noebashari von Aaran erinnert sich aber nur zu gut an unangenehme Termine im Kulturministerium. Installationen wie jene von Siamak Filizadeh mit den in einem blutroten Wasserbecken stehenden Lämmern (Sacrificial lamb oder How to slaughter 300 cows in one day) verschleiern ihr kritisches Potenzial mit Märchen- Bezügen.

Unbekümmerter sind die jüngeren Künstler, die im Umgehen der Zensur ihr Talent sehen: "Ein herausfordernder, spannender Adrenalin-Kick", sagt einer, obwohl man eine Polemik dahinter vermutet. Denn insbesondere ihrer Generation stinkt es, immer auf das Bild vom mysteriösen, unentdeckten Land festgelegt zu sein. "Tschador-Kunst", die sich mit Schleiern, Schreibkunst oder Kalligrafie beschäftigt, ist spätestens seit der "Grünen Bewegung" 2009, als der Begriff der Bürger-Reporter geprägt wurde, nicht mehr Ausdruck der Gesellschaft, sagt Alireza Labeshka von der nichtkommerziellen Raf-Galerie. Er kritisiert Kunst, die sich kalkuliert mit politischen und traditionellen Themen an den Marktgeschmack anbiedern und mit dem Label "Iranian" bei Auktionen gute Preise erzielen. Die Raf-Galerie wolle Kunst zeigen, die sich mit global gültigen Themen beschäftigt und theoretische Kunstdiskurse widerspiegelt.

"Es ist wirklich schwierig, Teil einer Ausstellung zu sein, wenn die begehrten Gewürze - Zensur, Unterdrückung, Gewalt oder Schleier, Geschlecht, Islam - im Menü fehlen", erklärt der Künstler Amirali Ghasemi mit bitterem Unterton. Ghasemi, der in der Garage seines Elternhauses in einem der besser situierten nördlichen Stadtteile die Parkingallery, einen Offspace, eingerichtet hat, ist nicht zuletzt wegen seiner kuratorischen Tätigkeit (etwa Filmfestival Rotterdam 2013) viel im Ausland unterwegs. Er kritisiert eine Art von "sanfter Zensur" vieler westlicher Medien: Ausstellungen, die nicht verboten wurden, und Künstler, die ihre Arbeit ohne schwerere Probleme zeigen können, hätten keinen Newswert.

Ein Bericht in der New York Times habe 2011 sogar ein Projekt scheitern lassen, berichtet Mehraneh Atashi. 2010 hatte man die Künstlerin 48 Tage im Evin-Gefängnis festgehalten, und ihr nahegelegt, nie wieder Fotos von sich selbst, sondern stattdessen von Blumen zu machen. Über ein Jahr arbeitete Atashi dann tatsächlich an einem Projekt über Blumen - ideologische Blumen -, an dem 50 Künstler und Schriftsteller teilnehmen sollten. Im Vorfeld sollte aus Sicherheitsgründen nichts publik werden: Aber der Bericht erschien, und einige Galerien und Künstler zogen sich daraufhin zurück. Und weil Druck und Kontrolle ihre Arbeit erschwerten, verließ Atashi das Land. (Anne Katrin Feßler, Crossover, DER STANDARD, 11.6.2013)