Die Niederösterreicher wählten ihren Landtag – auch Zweitwohnsitzer, sofern sie nicht aus der Evidenz gestrichen wurden.

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Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bekräftigt das in ihrer Auffassung, die Wahlrechtsreform sei gelungen.

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Daran glaubt Grünen-Chefin Helga Krismer nicht.

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St. Pölten / Wien – Es ist das Lieblingsargument niederösterreichischer ÖVP-Politiker, wenn es um die umstrittene Novelle des Wahlrechts für Zweitwohnsitzer geht: Beim Landesverwaltungsgericht ist im Zusammenhang mit der Landtagswahl vom 28. Jänner nur eine Beschwerde eingelangt. Bei der Gemeinderatswahl 2015 waren es 431. Die Folgerung der ÖVP, die für die Reform verantwortlich zeichnet: alles glatt gelaufen. So einfach dürfte es dann doch nicht sein.

Blickt man ausschließlich auf die formellen Beschwerden, scheint die Sache zunächst tatsächlich klar: Die eine Beschwerde, auf die sich etwa Landtagspräsident Hans Penz und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP) berufen, betrifft nämlich noch dazu einen Bürger mit Hauptwohnsitz. Der ist von der neuen Regelung für Zweitwohnsitzer gar nicht betroffen.

Unterschiedliche Handhabung

Zur Erinnerung: Seit der Reform des Wahlrechts im Sommer des Vorjahres obliegt es den Bürgermeistern, die Zweitwohnsitzer in ihrer Gemeinde daraufhin zu überprüfen, ob sie ausreichend an den Ort gebunden sind, um wahlberechtigt zu sein. Davor waren de facto sämtliche Zweitwohnsitzer bei Landtags- und Gemeinderatswahlen stimmberechtigt.

Das Gesetz ist vage, die Umsetzung variiert stark: Wurde etwa in St. Pölten oder Krems an der Donau kein einziger Nebenwohnsitzer aus der Wählerevidenz gestrichen, entfernten Städte wie Retz Hunderte von ihnen.

Null Beschwerden auch bei Gemeinden

Das Landesverwaltungsgericht ist aber erst die zweite Instanz für Beschwerden, erste Anlaufstelle waren die Gemeinden. Beschwerten sich verärgerte Nebenwohnsitzer also zuerst beim Bürgermeister, der bald klein beigab?

Darauf deutet nichts hin, auch direkt bei den Gemeinden dürfte es kaum Beschwerden gegeben haben: Ein Rundruf des STANDARD bei Städten und Gemeinden mit besonders vielen "Gestrichenen" ergab mehrmals: null Beschwerden. Wie viele Bürger sich landesweit beschwert haben, wird nicht zentral erhoben – die Landesregierung weiß nicht einmal, wie vielen Nebenwohnsitzern das Stimmrecht entzogen wurde.

Kurze Fristen

Insgesamt waren bei der Landtagswahl 2018 aber 18.111 Personen weniger stimmberechtigt als bei der letzten Wahl 2013. Das dürfte zu einem guten Teil auf die neue Zweitwohnsitzerregelung zurückzuführen sein – und macht es allein schon unwahrscheinlich, dass jeder der tausenden Bürger, denen das Wahlrecht entzogen wurde, mit dieser Entscheidung auch einverstanden war.

Eine mögliche Erklärung sind kurze Fristen beim Wählerverzeichnis: Diese lagen Anfang Dezember nur für fünf Tage auf – und das übers Wochenende. Wähler und solche, die es gerne gewesen wären, hatten dann nur bis zum darauffolgenden Sonntag Zeit für ihre Beschwerde. Wer in diesem Zeitraum nicht in seiner Nebenwohnsitzheimat war, hatte Pech. Grüne und Neos kritisierten die knappen Fristen schon im Vorjahr heftig.

Gestrichene nicht informiert

Die grüne Spitzenkandidatin Helga Krismer vermutet unter anderem darin den Grund für die ausgebliebenen Beschwerden. Außerdem seien manche, die der Bürgermeister aus der Wählerevidenz strich, gar nicht darüber informiert worden, obwohl das Gesetz das so vorsieht. Bei Krismer hätten sich Betroffene mit diesem Problem gemeldet.

Krismer hatte ja am Freitag angekündigt, eine Anfechtung der Landtagswahl prüfen zu wollen – DER STANDARD berichtete. Dafür sei es nicht notwendig, sich auf eine vorhandene Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht zu stützen, betont sie. (Sebastian Fellner, 6.2.2018)