Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilkaou appellierte an die Mitglieder zusammenzuhalten und "sich nicht aus den Augen zu verlieren."

Foto: APA/HANS PUNZ

Landessprecher Joachim Kovacs mit Lobau-Shirt und Schaufel. "Respekt! Die Neos und die Krone haben aufgedeckt, dass wir gegen dieses Projekt sind. Wenn sie brav weiter recherchieren, dann finden sie vielleicht auch noch heraus, dass wir hinter dem 365-Euro-Jahresticket stecken."

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Wien – Die Wiener Grünen haben auf ihrer Landesversammlung mit großer Mehrheit und unter viel Applaus einen Antrag gegen den geplanten Lobautunnel beschlossen. "Wir haben in der Öffentlichkeit teilweise ein Bild der Zerstrittenheit und der Beliebigkeit hergegeben. Es ist an der Zeit, dass wir uns auf unsere Stärken konzentrieren. Über das urgrüne Thema Lobautunnel können wir das zeigen", begründete ein Mitglied der Arbeitsgruppe zuvor den Antrag "Nein zum Milliardengrab Lobauautobahn".

Zweiter großer Punkt auf der Tagesordnung vor etwa 200 Mitgliedern – weit weniger als bei der letzten Landesversammlung, als Maria Vassilakou die Vertrauensfrage stelle: Der Antrag zu einem neuen Wahlmodus. Nach mehreren Stunden intensiver Debatte fixierten die Grünen den Modus: Die Person wird im Rahmen eines mehrwöchigen Prozederes gekürt. Starten wird dieses für die Wien-Wahl 2020 bereits im August.

Die entsprechenden Anträge zu einer Reform der Statuten wurden – mit klarer Mehrheit, wie nach der Sitzung betont wurde – beschlossen. Über Personen wurde dabei noch nicht geredet. Ob Vizebürgermeisterin Vassilakou wieder als Listenerste ins Rennen geht, ist noch offen. Sie hat sich dazu bisher noch nicht geäußert.

Entscheidung noch im Sommer

Nun ist jedoch klar: Die Frage wird sich noch im Sommer entscheiden. Denn ab August sind Bewerbungen möglich. Wer sich für den Spitzenplatz interessiert, soll bis zu einem Termin im September Zeit haben, dies kundzutun. Beteiligen können sich dann am Prozedere Parteimitglieder, aber auch Nichtmitglieder, die sich als Wähler registrieren lassen.

Um tatsächlich zur Wahl anzutreten, brauchen die Kandidaten eine gewisse Anzahl an Unterstützungserklärungen: 100 sind für relativ neue Personen nötig. Länger dienende Mandatare, die bereits zwei Perioden absolviert haben, brauchen 200 Stimmen für das Antreten. Mindestens die Hälfte der Unterstützer müssen aber jeweils Parteimitglieder sein.

Jedes Mitglied bzw. jeder registrierte Wähler kann übrigens zwei Personen unterstützen – wobei in der ursprünglichen Version angedacht war, dass nur eine Unterstützungserklärung möglich ist. In der Landesversammlung wurde dieser Punkt heute geändert. Gewählt werden kann dann aber letztendlich nur ein Kandidat.

"Mit breiter Brust" in Koalition auftreten

Der Tag startete zunächst mit Reden von Landessprecher Joachim Kovacs und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Auch sie sprachen über den geplanten Tunnel, in Richtung des roten Koalitionspartners etwa: "Wir werden uns in Fragen, wo es Unstimmigkeiten gibt, stärker abgrenzen. Wenn der Partner mit vollem Karacho gegen die Wand rennt, dann ist es an uns, die Augenbinde abzunehmen", sagte Kovacs, der eine Schaufel als Symbol dabei hatte, mit der er das Loch, dass der Bezirksvorsteher des 22. Bezirks, Ernst Nevrivy, in der Lobau gegraben hat, "wieder zubuddeln" werde.

Könnte diese Kritik die rot-grüne Koalition in Wien gefährden? Man solle sich das "von Krone und Co. nicht einreden lassen", sagt Kovacs. "Eine inhaltliche Auseinandersetzung hat einer Zusammenarbeit noch nie geschadet. Wir können ruhig mit breiterer Brust auftreten."

Ansagen gegen Schwarz-Blau

Der Lobau-Tunnel sei ein "teures Prestigeprojekt, dass vielleicht vor 30 oder 40 Jahren State-of-the-art gewesen ist", sagte Vassilakou. Dahinter stecke eine mächtige Lobby, die Kritiker zum Schweigen bringen wolle. "Aber was glaubt ihr, werden wir schweigen?", fragte die Vizebürgermeisterin in den Saal, "Nein, diesen Gefallen werden wir ihnen nicht tun." Das Ziel, dass nur noch 20 Prozent der täglichen Wege mit dem Auto beschritten werden, sei im Gemeinderat einstimmig beschlossen worden und auch von Bürgermeister Ludwig (SPÖ) bekräftigt worden. "Aber mit Kirtagsreden und leeren Versprechen werden wir das nicht schaffen", sagte Vassilakou. "Wir wissen was die Ostregion braucht. Einen kräftigen Ausbau der Öffis und die City-Maut. Man muss es wollen und angehen."

Hofer will klares Bekenntnis

Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ), an den der Antrag neben Bürgermeister Ludwig gerichtet ist, sieht "eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte der Ostregion ernsthaft in Gefahr." Er müsse "möglichst schnell wissen, ob das nur eine Einzelmeinung oder die offizielle Haltung der Wiener Stadtregierung ist", vermeldet Hofer via Aussendung.

Zweites großes Thema des Tages war die Notwendigkeit eines geschlossenen und gestärkten Auftretens gegen die türkis-blaue Regierung. "Wien wird uns brauchen. Unseren Mut, unsere Geradlinigkeit, Ehrlichkeit und Entschlossenheit. Damit wir das alles stemmen können, etwas bewegen, werden wir einander brauchen. Wir dürfen uns nicht aus den Augen verlieren", so Vassilakou.

Gegen Kinder und Mieter

Die Bundesregierung habe mit der neuen Mindestsicherung einen Angriff auf Kinder gestartet, "das nimmt ihnen die Chance auf ein gutes Leben." Vassilakou beschleiche immer mehr das Gefühl, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) "das zwar nicht hören wollen. Aber Österreich ist eine Demokratie. Und in einer Demokratie lässt man die Schwächeren nicht im Stich."

Eine zweite gefährliche Entwicklung erkennt Vassilakou in den Diskussionen um die Reform des Mietrechts. Sie befürchtet einen "Anschlag auf das leistbare Wohnen in Wien. Und wir dürfen auch einen Anschlag auf den Gemeindebau erwarten."

Einblicke in den Erneuerungsprozess

Bevor der neue Wahlmodus diskutiert wurde und die Medien aus dem Saal gebeten wurden, lieferten verschiedenste Personen einen Einblick in den grünen Erneuerungsprozess. Neben internen Veranstaltungen und Diskussionen zu einer neuen Organisationskultur, zu Modi bei Wahlen oder zu Mobilisierungsstrategien berichteten Mitglieder auch von Hausbesuchen. Acht Wochen lang wurde in allen Bezirken an insgesamt 12.500 Türen geklopft und nachgefragt, was man mit den Grünen identifiziert und warum man sie gewählt oder nicht mehr gewählt hat. Man habe oft gehört, dass die Partei zerstritten wirke, dass Grüne in einer Blase leben würden. "Aber wir haben auch oft den Wunsch gehört, dass wir es wieder zurück schaffen." (lhag, APA, 9.6.2018)