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Vorletzter Sieger im Rennen meines Lebens: Leidenschaft macht den Job erst schön

von Steffen Arora

Das Gebrüll der Menschen nahm ich im unteren Drittel der Strecke gar nicht mehr wahr. Und trotzdem peitschten mich die Anfeuerungsrufe letztlich den Berg runter. Sie ließen mich das Brennen in den Unterarmen vergessen, als ich mich mit letzter Kraft am Lenker festkrallte. Du musst irgendwie durchhalten, sagte ich mir, die paar hundert Meter noch.

Denn unten am Zielsprung, da standen meine Kinder und meine Freunde. Sie wussten, was mir dieser Tag bedeutete, und sie sind extra dafür nach Götzens heraufgekommen. Sie standen da seit zwei Stunden im steilen Hang und warteten auf mich. Ich wollte mich erkenntlich zeigen und die von der Absprungkante verbleibenden 13 Meter ins Ziel fliegend zurücklegen.

Mit Startnummer 389 bin ich beim Innsbrucker Crankworx-Festival im Juni 2018 ins Rennen meines Lebens gegangen. Es ist das einzige Rennformat, bei dem die weltbesten Downhiller nebst Amateuren am Start stehen. Ich war vor meiner STANDARD-Zeit beruflich daran beteiligt, dieses größte Gravity-Mountainbiking-Festival der Welt nach Innsbruck zu holen.

Mein Gänsehautmoment bei Crankworx 2018: im STANDARD-Jersey auf den 13-Meter-Zielsprung zurasen und abziehen.
Foto: Berger

Kaum war das geschafft, wechselte ich zurück in meinen Traumjob Journalismus. Die Zeitung, die wir heute feiern, ermöglichte mir nicht nur diese Rückkehr, sondern auch die Verquickung meiner beiden größten Leidenschaften: Schreiben und Biken. Seit März 2017 veröffentliche ich nun jede Woche dienstags den Tretlager-Blog auf derStandard.at, in dem sich alles um das Thema Mountainbiken und Radfahren dreht.

Und von Beginn an stand ein Thema ganz oben auf der Blog-Agenda: bei Crankworx an den Start gehen. 2018 passte endlich alles. Ich war gut in Form und saß im Frühjahr viel auf dem Rad. Ich löste mit 40 Jahren meine erste UCI-Lizenz und meldete mich zum Rennen an.

Ich nahm mir eigens fürs Rennwochenende ein paar Tage Urlaub, um das Drumherum so richtig genießen zu können. Die Redaktion stattete mich mit einem STANDARD-Jersey aus, das mir die hauseigenen Fußballmanschaft spendeten. Danke dafür!

Mein Ziel für das Rennen war einfach und klar: nicht Letzter werden und heil ankommen. Nie werde ich das Gefühl im Starthaus vergessen und die folgenden drei Minuten puren Adrenalins. Derart aufgeputscht raste ich dem Ziel entgegen. Nach der letzten Rechtskurve nahm ich den Zielsprung ins Visier. Im Renntempo fokussiert man derart, dass ich zum Glück nicht bemerkt habe, dass der Starter vor mir schwer gestürzt war und grad neben der Landung vom Notarzt versorgt wurde.

Mit letzter Kraft riss ich beim Absprung am Lenker. Nie habe ich einen Flug mehr genossen als diesen. Es waren keine 13 Meter, aber es fühlte sich an wie der Skiflugweltrekord. Am Ende wurde ich Vorletzter, und es war der absolut schönste Sieg meines Lebens. (Steffen Arora, 19.10.2018)

Steffen Arora ist seit 2016 Tirol-Korrespondent und schreibt dort über alles, was die Nichttiroler interessiert.


Schlechter Kaffee als Konstante: Nicht alles ändert sich im Ministerrat

von Günther Oswald

Zum Ministerrat geht man nicht, um seine Expertise als Kaffee-Connaisseur zu vertiefen. Böse Zungen behaupten gar, es sei gar kein Kaffee, was im Kanzleramt seit Jahr und Tag in Thermoskannen mit ebensolcher Aufschrift serviert wird. Irgendwie passt das Getränk aber auch zum Klischeebild, das viele von uns Journalisten haben. So etwas müssen Bob Woodward und Carl Bernstein in den 1970er-Jahren literweise in sich hineingeschüttet haben, als sie den Watergate-Skandal aufdeckten und den damaligen US-Präsidenten Richard Nixon zum Rücktritt trieben.

Der Kaffee ist also die Konstante im Kanzleramt, egal ob der Regierungschef Wolfgang Schüssel, Alfred Gusenbauer, Werner Faymann, Christian Kern oder jetzt Sebastian Kurz heißt. Das Drumherum ändert sich aber alle paar Jahre. Schüssel versuchte sich schon in Message-Control, als Anglizismen noch nicht so in Mode waren, und beantwortete Fragen bezüglich Themen, die nicht auf der Tagesordnung waren, mit: "Das war heute nicht auf der Tagesordnung."

Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache auf dem Weg zur Arbeit. Erfrischungen werden im Nebenraum serviert.
Foto: Matthias Cremer

Unter Rot-Schwarz wurde dann der Konflikt genüsslich zelebriert. Alfred Gusenbauer, der nicht nur seinen Genossen das Gefühl gab, alles besser zu wissen, trieb sein Gegenüber Wilhelm Molterer schließlich zum legendären "Es reicht!". Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner befetzten sich – zumindest in den letzten Monaten der Ära Faymann – demonstrativ vor den laufenden Kameras, und Christian Kern ging schließlich, nach verflogener Anfangseuphorie, zum Solopresseauftritt ohne den ungeliebten Koalitionspartner über. Mal referierte die Regierungsspitze im Sitzen hinter einem Tisch im silbergrauen Sperrwallstil (Schwarz-Blau II), mal im Stehen hinter transparenten Glaspulten (so auch jetzt wieder), mal ganz ohne Hilfsmittel (Kern).

Unabhängig von inszenierungstechnischen Neuerungen der jeweiligen Regierungen ist eines stets gewachsen: das mediale Interesse am Ministerrat. Längst sind nicht nur die größeren Medien des Landes präsent, zig private TV-Sender und Radios wollen ebenso Originaltöne einsammeln wie kleinere Online- oder Parteimedien. Informelle Gespräche zu führen ist da kaum mehr möglich. So manche Minister zeigen sich gar nicht mehr vor den Regierungssitzungen.

Der Ministerrat hat aber nicht nur PR-, sondern auch sicherheitstechnisch einen Wandel durchlaufen. Selbst in den Jahren nach Nine-Eleven konnte man, sofern einen das Wachpersonal beim Eingang schon das eine oder andere Mal zuvor gesehen hatte, ohne jegliche Kontrolle ins Kanzleramt marschieren. Passiert ist glücklicherweise nie etwas. Heute ist alles anders. Die Sicherheitsstandards entsprechen jenen von Flughäfen. Taschen werden geröntgt, die Gäste müssen Metalldetektoren passieren. Diesbezüglich sind wir also keine Insel der Seligen mehr. Aber immerhin bleibt beim Kaffee alles beim Alten. (Günther Oswald, 19.10.2018)

Günther Oswald kennt sich eigentlich nur mit Tennis aus, schreibt aber seit 2007 für die Ressorts Innenpolitik und Wirtschaft und ist auch als Chef vom Dienst tätig.


Heute werden wir nicht sterben: Beim STANDARD hat man es immer wieder lustig

von Christian Schachinger

Blixa Bargeld singt auf der Toilette, damit er besser stehen kann. Nick Cave trägt privat Collegepatscherln, weiße Socken und hellblaue Jeans. Der Dünnere der zwei Bärtigen von ZZ Top hat beim Händedruck Angst, dass man ihm die Finger kaputtmacht. Aua!

Während man seit einer Stunde auf das Interview wartet, hört man den Fürsten der Finsternis von der US-Band Nine Inch Nails, die im Wesentlichen den Zerfall der amerikanischen Kleinfamilie beklagt, im Nebenzimmer der Hotelsuite eine Stunde lang in sein Telefon toben. Ein "Gespräch" mit der Freundin in Kalifornien, wird gesagt. Als man dann vorzeitig geht, wird das als "unhöflich" gewertet. Es ist ein Sonntag im Sommer. Draußen ist es warm und schön. Das Leben ist schön. Es besteht nicht nur aus Warten.

Religiöse Erweckungserlebnisse und Trinksprüche gehen in Armenien Hand in Hand. Sogar Blixa Bargeld kann davon ein Lied singen.
Foto: Getty Images / iStock

Ein anderes Mal kann ein Interview nicht stattfinden, weil man an der Rezeption erfährt, dass die Herrschaften leider nicht mehr hier wohnen würden. Einer der Musiker habe sich beim Portier erkundigt, wo man in der Nähe harte Drogen erwerben könne.

Das war der einfache Teil der Übung.

Der längste Tag des Lebens

Bei 45 Grad im Schatten auf einer Rollpiste in Kenia erfährt man, dass der Pilot des Flugzeugs, das einen abholen sollte, vergessen habe zu starten. Vielleicht morgen. Tiere sind eh keine da, sie sind wegen der monatelangen Dürre krepiert, man wird also nicht sterben. Das einzige Buch aber, das man im Tagesgepäck mithat, stammt von Günter Grass. Es wird der längste Tag des Lebens werden.

Später dann lustige Erlebnisse in der Titty-Twister-Bar im peruanischen Cusco. Es ist zwei Uhr nachts, und die Leute mögen es nicht, wenn man ihnen in die Augen schaut, handtellergroße Pupillen. Das Hochland ist karg, aber der Coca-Strauch gedeiht prächtig.

Ein Tourismuskonzept, das sich nicht durchsetzen wird: Übernachten in südafrikanischen Townships. In der vom Ganglord großzügig für eine Stunde zur Verfügung gestellten Bar wird man von zwei Meter großen Zivilbullen bewacht, von der Zimmervermieterin wird man gebeten, nachts die Vorhänge geschlossen zu halten. Die Leute würden das nicht so mögen, wenn sie sich beobachtet fühlen.

Ein Ort namens Lynchhausen

Zwei Tage später ist man in einem Ort namens Lynchhausen oder so zu Gast bei deutschen Auswanderern der dingsten Generation. Südafrika geht seit Mandela vor die Hunde, sie selbst seien in ihrem Abwehrkampf gegen die "braunen Horden" aber sehr erfolgreich. Mit braunen Horden sind übrigens keine Nazis gemeint. Langweilig wird es im Ausland nie.

Es geht auch anders. In Georgien und Armenien muss man so viele Klöster besichtigen, dass man nachts Marienerscheinungen bekommt. Dagegen hilft nur Wein. Georgien und Armenien gelten als die Heimat des Weins. Bei Trinksprüchen muss man ex trinken. Es gibt viele Trinksprüche. Ab neun Uhr früh. Jesus ist ein Rauschkind. Auch der Stachelbeerwodka, ein Träumchen! Es ist übrigens eine Weltgegend, in der Überholen in Rechtskurven oberste Bürgerpflicht ist. Solange kein Schlagloch kommt, ist das ... aua!

Den Rest habe ich leider vergessen. Es war aber oft lustig. (Christian Schachinger, 19.10.2018)

Christian Schachinger ist Kulturredakteur des STANDARD und sehr wahrscheinlich seit 1999 dabei.