Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas hat die seit Jänner 2021 bestehende Zweierkoalition aufgekündigt.

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Tallinn – Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas hat formal ihren Rücktritt eingereicht, um eine neue Regierung in dem baltischen EU- und Nato-Land zu bilden. Die 45-Jährige informierte das Parlament in Tallinn am Donnerstag über ihre Entscheidung und überreichte ihr Demissionsgesuch an Staatspräsident Alar Karis. Die Abstimmung über die neue Regierung von Kallas' Reformpartei mit Sozialdemokraten und der konservativen Isamaa soll dann am Freitag stattfinden.

Kallas' Schritt führte gemäß estnischer Verfassung automatisch zum Rücktritt der gesamten Regierung, die seit mehr als einem Monat ohne parlamentarische Mehrheit ihren Amtsgeschäften nachgeht. Bis zur Bestätigung einer neuen Regierung bleibt sie aber weiter geschäftsführend im Amt.

Wochenlange politische Blockade

Nach Angaben der Staatskanzlei schlug Kallas der sich in der Sommerpause befindenden Volksvertretung vor, am Freitag eine außerordentliche Sitzung abzuhalten. Das Parlament soll dann über die neue Regierungskoalition abstimmen. Das Dreierbündnis, das früher schon einmal eine Regierung gebildet hatte, kommt auf eine Mehrheit von 55 der 101 Sitze.

In Estland war Anfang Juni das Regierungsbündnis aus Reformpartei und der linksgerichteten Zentrumspartei zerbrochen. Dem vorausgegangen waren Streit, Machtkämpfe und eine wochenlange politische Blockade. Kallas hatte deshalb die seit Jänner 2021 bestehende Zweierkoalition aufgekündigt und die sieben Minister der Zentrumspartei entlassen.

Dreierbündnis

Die wirtschaftsliberale Reformpartei, die Sozialdemokraten und Isamaa hatten sich nach längeren Verhandlungen Ende vergangener Woche auf eine Koalition geeinigt. Jede der drei Parteien soll demnach fünf Ministerposten in der neuen Regierung erhalten, über deren personelle Besetzung am Donnerstagabend entschieden werden sollte. Der Koalitionsvertrag soll am Freitag unterzeichnet werden.

Staatspräsident Karis, der Kallas nach deren Rücktritt umgehend wieder einen Auftrag zur Regierungsbildung erteilte und das neue Kabinett ernennen muss, kündigte an, sich mit allen designierten Ministern treffen zu wollen. "Ich hoffe, dass die neue Regierung ihre Arbeit bereits nächste Woche aufnehmen kann", schrieb er auf Twitter. (APA, 14.7.2022)