Die Semesterferien sind in Österreich für viele Winterurlaubszeit. Doch nicht alle Kinder und Jugendlichen können die Energiepause auch tatsächlich genießen. Denn viele haben Nachholbedarf und müssen strebern statt Ski fahren: Erst im Sommer veröffentlichte die Arbeiterkammer eine Erhebung, die zeigte, dass im vergangenen Schuljahr mehr als ein Viertel aller Schülerinnen und Schüler Nachhilfe benötigt hat. Zur Nachhilfe, die 27 Prozent besuchten, zählen etwa auch die kostenlosen Angebote in der Schule. 164.000 Kinder, das waren 16 Prozent, erhielten von den Eltern bezahlte Nachhilfe. Das belaste die Familienbudgets in Zeiten der Teuerung "stark oder spürbar", wie 48 Prozent der betroffenen Eltern beim Nachhilfebarometer der Arbeiterkammer angaben.

Dass auch dieses Schuljahr der Andrang bei Einrichtungen mit Gratis-Angeboten hoch ist, erklärt sich Oliver Löhlein, Geschäftsführer des Samariterbund Wiens, durch "zwei Ereignisse, die zusammenkommen": Nach den Schulschließungen während der Pandemie komme nun die Teuerungswelle im Zuge des Ukraine-Krieges dazu. "Außerschulische Lerneinrichtungen haben dadurch noch mehr an Bedeutung gewonnen", sagt er zum STANDARD.

Kinder hätten während der Lockdowns im Fernunterricht "leichter den Anschluss verloren" und bräuchten nun entsprechend Unterstützung. Außerdem fehle "immer mehr Familien das Geld, Nachhilfe für ihre Kinder zu bezahlen". Die sogenannten LernLEOS des Samariterbundes sind zu 100 Prozent spendenfinanziert. Bei den LernLEOS erhält ein Kind an zwei Tagen pro Woche für je zwei Stunden Nachhilfe. "Die Kinder bleiben durchschnittlich ungefähr drei Jahre in unserer Betreuung – es gibt allerdings auch Kinder, die die gesamte Betreuungsdauer bei uns sind, sprich von der ersten Klasse Volksschule bis zur vierten Klasse Mittelschule", heißt es vom Samariterbund. Und: Es gehe dabei "um eine langfristige Betreuung – nur das ergibt wirklich Sinn und eröffnet den Kindern die Chance, ihren Bildungsweg zu finden und diesen auch gehen zu können".

Neues Klientel

Auch bei der Caritas der Erzdiözese Wien ist die Nachfrage gestiegen. Vermehrt würden sich nun auch Familien an die Lerncafés wenden, die "nie gedacht hätten, einmal auf die Hilfe der Caritas angewiesen zu sein", heißt es dort. Waren es zuvor vor allem Kinder aus sozial benachteiligten Familien oder Familien mit Migrationshintergrund, würden nun auch "klassische Mittelstandsfamilien" um Plätze anfragen. "Familien, die sich früher externe bezahlte Hilfe leisten konnten, wenden sich nun auch an die Lerncafés", sagt Leiterin Martina Polleres-Hyll.

Über ein Viertel der Schülerinnen und Schüler braucht mehr als nur die Hilfe der Eltern bei der Hausübung.
Foto: imago images/Westend61

Denn Nachhilfe ist teuer: Im Durchschnitt beliefen sich laut Arbeiterkammer die Kosten für Nachhilfestunden auf 630 Euro pro Schulkind für das vergangenes Schuljahr. Im Jahr 2020 waren es noch 520 Euro – das sind um 21 Prozent weniger.

Lange Wartelisten

Doch die kostenlosen Plätze sind rar, und viele wollen sie haben: Zehn Lerncafé-Standorte betreibt die Caritas Wien – sechs in der Bundeshauptstadt, vier in Niederösterreich. In Wien werden derzeit 207 Kinder betreut, 213 stehen auf der Warteliste.

Dass es zu wenige Gratis-Nachhilfeplätze gibt, zeigt sich auch in den Wartelisten beim Samariterbund. Obwohl dieser vor der Pandemie nur ein sogenanntes LernLEO angeboten hatte, waren damals zwischen 30 und 40 Kinder auf der Warteliste. Während der vergangenen Jahre wurden zwei weitere Lerninstitute gegründet. "Es ist sehr auffallend, dass die Warteliste aktuell kontinuierlich steigt und steigt – in einer Dimension, die wir vorher so nicht kannten." Dass sehr viele Kinder mehr als ein Jahr auf freiwerdende Plätze warten, zeige aber auch, wie "dringend notwendig ein Ausbau des Lernangebots wäre. Ohne finanzielle Förderung durch die öffentliche Hand ist dies jedoch nicht möglich", sagt Geschäftsführer Löhlein.

Die Stadt Wien bietet auch selbst Lernhilfekurse an: Für Volksschulkinder gibt es laut dem Büro des Bildungsstadtrats Christoph Wiederkehr (Neos) 200 Kurse pro Schuljahr (100 pro Semester). Diese werden an VHS-Standorten beziehungsweise ausgewählten Schulen durchgeführt. In der Sekundarstufe I werden 2.200 Kurse pro Schuljahr von der Stadt an rund 140 teilnehmenden öffentlichen Neuen Mittelschulen und AHS-Unterstufen mit 22.000 Kursplätzen pro Schuljahr angeboten. Wiederholt werden die Fächer Deutsch, Mathematik und "Deutsch Start" sowie Englisch in der Sekundarstufe.

Ganztagsschule wird ausgebaut

Geht es um Nachhilfeangebote, verweist man in Wien zudem auf die Ganztagsschulen. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) kündigte bereits im Wahlkampf vor der Gemeinderatswahl 2020 an, Ganztagsschulen kostenfrei zu machen: Damals wurden in einem ersten Schritt rund 70 verschränkte Ganztagsschulen in der Stadt beitragsfrei gestaltet – inklusive Mittagessen. "Wir stehen bei 92 beitragsfreien Ganztagsschulen", heißt es aus dem Büro von Bildungsstadtrat Wiederkehr. Darunter sind seit diesem Schuljahr 80 Volksschulen und zwölf Neue Mittelschulen. Heuer würden rund 25.000 Kinder und Jugendliche eine beitragsfreie Ganztagsschule besuchen.

"Nächstes Schuljahr werden weitere Standorte hinzukommen." Durch das Gratis-Angebot würden sich Eltern pro Monat rund 180 Euro für jedes Kind ersparen. Insgesamt gibt es in Wien 209 Schulen mit schulischer Tagesbetreuung. (Oona Kroisleitner, Stefanie Rachbauer, 7.2.2023)