Der Nikolaus muss kein Mann oder groß und erwachsen sein.

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In der Adventzeit müssen Elementarpädagoginnen und -pädagogen in christlich geführten Kindergärten das bevorstehende Nikolausfest planen, vorbereiten und organisieren. Da macht man sich viele Gedanken über den pädagogischen Wert, die religiöse Bedeutung und auch die Freude und Angst, die der Nikolaus mit sich bringt.

Tatsächlich löst das Erscheinen des Nikolaus, oft mit Bart und großem Buch, nicht immer ein positives Gefühl bei Kindern aus. Besonders dann nicht, wenn der Nikolaus nicht nur die guten Taten des gesamten Jahres analysiert und aufzählt, sondern auch die Taten erwähnt und aufrollt, auf die die Kinder sowieso nicht stolz sind und die sie eigentlich schon als abgehakt und geklärt angesehen haben. Wenige Menschen, alt oder jung, werden gerne an ihre Schandtaten erinnert und vielleicht sogar bestraft. Stellen Sie sich nur einmal vor, von einem allwissenden Mann mit Stock für einen peinlichen, "unabsichtlichen" und oftmals unüberlegten Fehltritt ermahnt zu werden. Das geschieht leider oft noch immer jährlich in Kindergärten.

Legende vermittelt Werte

Familien müssen selber entscheiden, wie und ob sie das Nikolausfest feiern wollen. In jeder Familie ist die Einstellung gegenüber diesem Fest anders, die Meinungen können gespalten sein, und die Feier ist meist sehr individuell gestaltet. Was das Feiern im Kindergarten betrifft, ist das ebenso sehr umstritten und die Sichtweise jedes Kindergartens anders.

Ein positiver Aspekt der Nikolausfeier sind jedenfalls, unabhängig davon, ob der Kindergarten religiös geführt wird oder nicht, die Werte, die die Legende vom heiligen Nikolaus den Kindern vermittelt. Muss denn unbedingt erwähnt werden, dass Nikolaus ein Heiliger ist? War er nicht ein guter Mensch, der den Armen geholfen hat und Gerechtigkeit geschaffen hat? Und muss Nikolaus denn ein Mann sein? Muss er groß und erwachsen sein?

Verkleidung macht oft Angst

Oft macht die Gestalt eines bärtigen, großen Menschen mit Mantel den Kindern Angst, und es bleiben keine guten Erinnerungen an das Nikolausfest zurück. Ein Vorschlag: Warum den Kindern nicht erlauben, sich selber zu verkleiden, egal ob Mädchen oder Bub? In der heutigen Welt wird das Prinzip der Geschlechtssensibilität – also Kindern unabhängig von ihrem Geschlecht zu helfen, ihre Stärken zu erfahren – immer wichtiger. Natürlich könnte der Fall eintreten, dass sich kein Kind verkleiden will. Da wären die Pädagoginnen und Pädagogen wieder gefragt, denn diese könnten sich ja auch vor den Kindern verkleiden, um ihnen zu zeigen, dass sie keine Angst haben müssen. Das würde den Kleinen zeigen, dass sich eine vertraute Person als Nikolaus verkleidet hat.

Feste und Traditionen sind trotz kultureller und religiöser Hintergründe stets kritisch zu betrachten. Vielleicht bedarf so manches Fest auch einer kleinen Anpassung an die heutige Zeit. Die Welt dreht und verändert sich, man sollte nicht stehen bleiben – und Werte in Ruhe überdenken. (Irina Sourcé, 6.12.2016)